Feiner mit Winglets - fast ein neues Flugzeit

Text und Fotos: Josef Häupl
Lohnen sich Winglets? Was bringen sie in der Praxis? Lassen sich die geringfügigen Leistungssteigerungen tatsächlich ausfliegen? Was ist von den vielfach hochgelobten Verbesserungen der Flugeigenschaften zu halten? Nachdem die ASW 24 von Alexander Schleicher Segelflugzeugbau vor zwei Jahren mit Winglets nachgerüstet wurde, soll jetzt in einem Praxisreport der Vergleich gezogen werden. Piloteneindrücke mit beiden ASW-24-Versionen hat Josef Häupl gesammelt. Er fliegt die ASW 24 seit zwei Jahren, war rund 600 Stunden mit ihr in der Luft - bei einer Reihe von Wettbewerben, vielwöchigen Trainingslagern aller Leistungsebenen und somit im ständigen Vergleich mit anderen Piloten und Flugzeugen. Auf Basis dieser Erfahrungen hat er aufgeschrieben, was die ASW 24 und jetzt speziell die Wingletversion zu leisten imstande ist und wo ihre Schwächen liegen. Josef Häupl hat seine Eindrücke in einem Pilot Report zusammengefaßt.
Bei meinen Recherchen vor dem Kauf der ASW 24 wurden mir neben sehr objektiven und ausgewogenen Urteilen von Piloten auch Berichte und Eindrücke vermittelt, die mit dem Satz „Sie steigt schlecht(er)." zusammenzufassen wären. Wohlmeinende lieferten dann auch gleich die richtigen Ratschläge mit: „Du mußt nur etwas schneller fliegen!" oder „Der Schwerpunkt muß passen!" beziehungsweise „Sie erfordert nur etwas mehr Konzentration." und ähnliches. Im ersten Flugjahr meinte ich in nur ganz wenigen Fällen Defizite festzustellen, wobei aber nicht ganz sicher war, ob sie nun auf das Flugzeug oder den Piloten zurückgeführt werden mußten. Bei sehr zerrissener und turbulenter Thermik, die sich auch in relativ großen Fahrtschwankungen äußerte, was insbesondere beim bodennahen Kurbeln lästig ist, war es anstrengend, das optimale Fahrtfenster einzuhalten. Der bei den meisten Piloten konditionierte Reflex, beim Kurbeln Fahrtzunahme mit Ziehen abzubauen, erwies sich bei der ASW 24 als Nachteil. Dieses Verhalten mußte bewußt geändert werden. Denn mit der üblichen Reaktion des Ziehens gerät man mit der ASW 24 zu leicht unabsichtlich in den Stall. Die Flugsicherheit beeinträchtigt das nicht. Ohne irgendwelche warnende Begleiterscheinungen kurvt das Flugzeug auch in diesem Zustand voll steuerbar, aber eben mit unbefriedigender Steigleistung. Hier rächt sich der sorgfältig gestaltete Rumpf-Flügel-Übergang. Kaum ein Schütteln (es gibt keine Verwirbelungen, die auf das Höhenruder treffen) deutet diesen Zustand an, so daß der Pilot auf Zusatzanzeigen wie den Slow-alarm beim Cambridge-Vario angewiesen ist. Begünstigt wird das Hineinrutschen in diesen leistungs-mindernden Flugzustand noch durch die Wahl einer hinteren Schwerpunktlage, die bei Flugzeugen mit anderen Profilcharakteristiken als optimal gilt.

Kurbeltechnik ist umzustellen

Man muß eine Kurbeltechnik neu erlernen, die „der Lange", Heinz Huth, schon früher empfohlen hat. Und wenn man diesen verhalten dynamischen Kurbelstil in zirka 20 bis 30 Stunden trainiert hat, stellt sich auch der Erfolg ein. Somit bestätigt sich eigentlich nur eine alte Erfahrung, daß man sich auf einem neuen Muster eben einfliegen muß. Zur Flugschwerpunktlage sind inzwischen auch wichtige Erfahrungen gesammelt worden. Das Resultat nach vielen Experimenten und manchem Irrweg lautet, daß bei der ASW 24 der Schwerpunkt nicht weiter als 350 bis 360 mm hinter dem Bezugspunkt liegen sollte. Mit Hilfe des Ballastraums (Batteriefach) in der Seitenflosse ist er unproblematisch und schnell einstellbar. Auch im Verein sollte jeder Pilot den Zuladewert im Ballastfach für sein Gewicht kennen und auch einstellen, vor allem wenn er Leistung und Vergleich anstrebt. Als besonderen Vorteil empfinde ich es immer wieder, daß man bei der Mitnahme von Wasserballast, der günstig im Schwerpunkt plaziert ist, die Lästigkeit nicht zusätzlich über einen Hecktank regulieren muß. Man kann mit vollen Tanks starten und im Flug, falls erforderlich, beliebig oft ablassen, ohne daß Schwerpunktverlagerungen eintreten. Die ausgezeichneten Gleitflugleistungen der ASW 24 sind unumstritten. Selbst mit einer oft niedrigeren Flächenbelastung als die Konkurrenten hatte ich eigentlich nie Probleme, mitzuhalten, was für die hervorragende aerodynamische Auslegung spricht. Sehr gute Erfahrungen habe ich auch im Hochsommer mit den Mückenputzern gemacht, sie verbessern Gleit- wie Kurbelleistungen. Eine Verschmutzung der Flügelnase durch Mücken beziehungsweise Regentropfen äußert sich bei der ASW 24 nicht in verschlechterten Flugeigenschaften - im Langsamflug behält sie ihr harmloses Verhalten -, sondern nur in verminderter Leistung.

Modernes Sicherheitscockpit

Sicherheit ist derzeit wieder ein zentrales Thema. Hier kann der ASW 24 in gewisser Weise Vorbildfunktion zugesprochen werden. Bei ihr hat Konstrukteur Dipl.-lng. Gerhard Waibel neue Erkenntnisse auf diesem Sektor verwirklicht. Der strukturelle Aufbau des ASW-24-Vorderrumpfes ist als Knautschzone ausgelegt, so daß im Falle eines Aufpralls Aufprallenergie in Verformungsarbeit umgesetzt werden kann. Andererseits verfügt die ASW 24 über einen hochgezogenen, massiv verstärkten Hauben- und Cockpitrand, der den Piloten schützt. Die hier zum Zuge kommende Sicherheitsphilosophie nimmt allerdings Verletzungen der unteren Extremitäten im Tausch gegen eine höhere Sicherheit des Ganzen in Kauf, denn die Pilotenfüße ragen ja bis in die Cockpitspitze. Und freier Knautschraum steht bei Cockpits von Segelflugzeugen nun mal nicht zur Verfügung. Daß dies nicht bloß Theorie ist, beweist schon eine ganze Reihe von unsanften Landungen und Bodenberührungen, zum Teil nach Stürzen aus größerer Höhe, die für die Insassen mehr als glimpflich ausgegangen sind. Zugunsten der passiven Sicherheit i hat die ASW 24 einen hohen Haubenrand erhalten, der auf den ersten Blick, die Rundumsicht des ö Piloten deutlich einzuschränken £ scheint. Aus der Pilotenposition stellt sich die Einschränkung als erheblich kleiner heraus. Da der hohe Cockpitrahmen in den Innenraum gezogen wurde, reicht der Blick über die tiefersitzende Verglasungskante weiter nach unten. Im Vergleich zu den Sichtverhältnissen aus einer ASW 20, die ich zuvor zehn Jahre lang geflogen habe, kann ich getrost sagen, daß mir eine Sichteinschränkung bei der ASW 24 nicht als ein lästiges Attribut aufgefallen ist. So ist bei der ASW 24 im F-Schlepp das Motorflugzeug stets ganz zu sehen. Beim Kreisflug liegt das Horizontbild immer über dem höchsten Punkt des Instrumentenbretts. Dennoch kann die Sicht aus dem Cockpit nicht unbeanstandet bleiben: Werden die Kameras auf dem dafür vorgesehenen verbreiterten Haubenrand angebracht, dann befindet sich dieses Zweierpack genau in Augenhöhe und ist ein Sichtblocker. Hier muß eine Lösung gefunden werden. Auch die mattglänzende Instrumentenabdeckung, zumindest die Standardausführung, spiegelt sich bei Gegenlicht und tiefem Sonnenstand so auffallend in der Haube, daß die Kirche, der Fabrikschornstein, die Waldkante oder was immer man als Peil- und Richtpunkt für den Endanflug annimmt, nicht mehr erkennbar sind. Hansjörg Streifeneder hat als Verbesserung eine oben waagrechte Instrumentenabdeckung entwickelt, die sich zudem gut zum Einbau von Solarzellen eignet. Sie wird von Schleicher jetzt als Option angeboten. Allerdings gehört meiner Meinung nach solch eine Verbesserung im Zuge einer Modellpflege hersteller-seitig ohne Aufpreis behoben.

Optionen für Lange Piloten

Mit einer weiteren Option berücksichtigt man bei Schleicher jetzt auch die Platzbedürfnisse größerer Piloten. Neben der Normalausführung des Instrumentenpilzes werden zwei weitere, hochausgeschnittene Instrumentenbretter mit mehr Kniefreiheit angeboten, so daß auch 2 m große Piloten Platz finden sollen. 2,05 m ist der bisher längste. Mit meinen 1,72 m sitze ich ausgezeichnet, auch nach mehreren Flugstunden stellen sich keine Probleme ein. Die Bediengriffe liegen ergonomisch günstig, lediglich die Trimmfeder, ausgelegt für eine Bedienung mit dem kleinen Finger, müßte leichter gehen. Über die Trimmanzeige ist mit der linken Hand eine elegante Feinjustierung möglich. Allerdings würde ich mir einen etwas kürzeren Steuerknüppel wünschen, denn der rechte Arm kann über viele Stunden nicht immer ohne Unterstützung bleiben. Man gewöhnt sich leicht an, den Knüppel nur im unteren Teil zu fassen. Ein Nachteil ist mir im Frühjahr bei den oft sehr niedrigen Außentemperaturen, vor allem in der Welle, aufgefallen: Der Fußraum der ASW 24 ist deutlich kälter als das völlig geschlossene Vorderteil der ASW 20. Hier wäre eine federleichte, wärmedämmende Folie als Auskleidung empfehlenswert. Ein weiteres Problem habe ich bei Flügen in starker Turbulenz. Wenn ich mich (als schlankerer Pilot) fest anschnallen will, ist dafür der Stellbereich der Beckengurte zu klein, das heißt, es besteht dann die Gefahr, mit dem Kopf gegen die Haube zu stoßen. Auch die Schultergurte sind da nicht sehr hilfreich, sie zerren lediglich den Gurtverschluß nach oben, bringen aber nicht mehr Halt.

Feiner mit Winglets

Eine entscheidende Veränderung erfuhr das Flugzeug in der Saison 92 mit den nachrüstbaren Winglets. Angespornt von den bei anderen Mustern empirisch ermittelten Leistungssteigerungen durch Winglets kümmerte sich Gerhard Waibel um eine entsprechende Modifikation der ASW 24. In zahlreichen Meßfahrten (aerokurier 5/93 und 6/93) entwickelte er Winglets, die sich auf Anhieb hervorragend bewährten. Ich dachte, ein neues Flugzeug zu besitzen, so verblüffend war die Wirkung der Winglets. Was sofort auffällt, sind die erheblich verbesserten Flugeigenschaften, und da speziell die Verbesserung der Kurbeleigenschaften. Die angestrebte Leistungssteigerung ist nicht so einfach nachzuvollziehen. Allerdings hat Dick Johnson in den USA inzwischen durch Meßflüge eine Leistungsverbesserung nachgewiesen. Nach seinen Messungen wurde die beste Gleitzahl um etwa einen Punkt verbessert. Im Langsamflugbereich hat er eine geringere Sinkgeschwindigkeit und im Schnellflug bei 150km/h unveränderte Leistungen nachgewiesen. Kurbeleigenschaften deutlich verbessert Entscheidend ist aber die Verbesserung der Kurbeleigenschaften. Bedingt durch die Kielwirkung der Winglets hat die Kurvenstabilität gewonnen. Die lästigen Fahrtvariationen sind verschwunden. Jetzt läßt sich die ASW 24 ohne fortlaufende Korrekturen mit konstanter Geschwindigkeit kreisen. Man gerät, weil das Flugzeug ruhiger liegt, nicht mehr unkontrolliert in den leistungsmindernden Stall. Außerdem glaube ich jetzt, mehr aus der Thermik „herauslesen" zu können. Der Vorteil zeigt sich besonders in kritischer, niedriger Höhe, wo die Aufmerksamkeit ja nicht nur dem Flugzeug gilt, sondern die Augen auch das Gelände nach Landemöglichkeiten absuchen. Hier wird der Pilot spürbar entlastet. Schon oft bin ich seither mit meiner ASW 24WL aus tiefstem Parterre wieder aufgestiegen. Speziell ein „Konturenflug" quer über die Hänge des Oberpfälzer Waldes bei böigem böhmischen Wind mit äußerst zerrissener Thermik - immer wieder runter auf 150 bis 200 m Höhe - ist mir da in Erinnerung geblieben. Bei Meisterschaften gelang es mir wiederholt, auch aus sehr kritischer Höhe wieder wegzusteigen. Das waren dann erhebende Momente im wahrsten Sinne des Wortes. So etwas gelingt nur mit einem sensiblen und zugleich harmonisch abgestimmten Flugzeug. Eine ebenfalls positive Folge des stabilisierenden Moments der Winglets ist das angenehmere Handling in der Thermik bei höherer Flächenbelastung.

Mit den Winglets hat die 24 gewonnen

Die Winglet-Aufrüstung hat sich gelohnt: Nach mehreren Wettbewerben ist mir kein Fall in Erinnerung, in dem ich mit der ASW 24WL schwächer gestiegen wäre. Das bestätigte mir auch mehrfach die Konkurrenz, die in solchen Fällen eher zurückhaltend taktiert. Ähnliche Erfahrungen sammelten auch Piloten anderer Wingletmuster. Die für einen rauhen Wettbewerbs- und Vereinseinsatz erforderlichen Voraussetzungen bringt die ASW 24 mit: eine sehr gut wirkende hydraulische Radbremse, ein äußerst robustes Fahrwerk, automatische Ruderanschlüsse, helferfreundliche Massen (Fläche: 56 kg), Spornrad, stabile Haubenführung und -halterung. So bleibt eigentlich nur noch ein Manko zu nennen, und das ist der Preis (64800 DM plus MwSt.). Eine Billigausführung ist nicht erhältlich. Für sein Geld bekommt man allerdings ein sehr graziles, ansprechendes Flugzeug, das auch mit Winglets nichts von seiner Eleganz einbüßt. Josef Häupl

Technische Daten und Leistungsangaben Schleicher ASW 20

Einsitziger, freitragender Mittel-Schulterdecker für Leistungssegelflug.

Flügel: zweiteiliger Doppeltrapezflügel, GFK, CFK, Aramid Schaumschale, Rovingholm mit Zunge-Gabelverbindung, verkleideten Antrieben. Schempp-Hirth-Bremsklappen auf Flügeloberseite.
Rumpf: GFK, CFK, Aramid Schaumschale, VorderteilSicherheitscockpit, Schwerpunktkupplung, nach vorn klappbare Haube, Pedale, Rückenlehne und Nackenstütze verstellbar.
Leitwerk: gedämpftes T-Leitwerk mit eingebauter Antenne. Federtrimmung.
Fahrwerk: ungefedertes Einziehfahrwerk, mechanische Innenbackenbremse, Rad 5.00-5, aerodynamisch geformter, elastischer Schleifsporn.
Spannweite 15 m
Länge 6,55 m
Höhe 1,30 m
Flügelfläche 10,m2
Streckung 22,5
Rüstgewicht 230 kg
max. Zuladung 115 kg
max. Ballast 130 kg
max. Fluggewicht mit Ballast 500 kg
Flächenbelastung ohne Ballast etwa 30 kg/m2
Flächenbelastung mit Ballast etwa 50 kg/m2
höchstzulässige Geschwindigkeit
bei ruhigem Wetter 280 km/h
Mindestgeschwindigkeit 65 km/h
geringstes Sinken bei 80 km/h 0,56 m/s
beste Gleitzahl (15m) 43,5