Pilotreport Rolladen Schneider LS 4

Text und Fotos: Bernd Malzbender
Bei den Deutschen Segelflug-Meisterschaften 1980 in Aalen-Elchingen feierte die LS4 ihr Debüt, damals als noch nicht ganz ausgereifter Prototyp. Aber was in ihr steckte, sprach sich in Windeseile herum. Schon die Hälfte aller Standard-Klasse-Piloten der WM in Paderborn flog knapp ein Jahr später LS4 -sieben belegten die ersten Plätze. In Bayreuth schließlich hatte der neue Renner von Wolf Lemke eindeutig die Majorität. Neue, mit der Entwicklung der Rennklasse gewonnene Kenntnisse in der Profiltechnologie und ihre konsequente Anwendung auf Starrprofile durch Rolladen Schneider haben zu der großen Leistungsentfaltung in der schon „am Ende" geglaubten Standard-Klasse entscheidend beigetragen. Daß dies jedoch keineswegs auf Kosten der Flugeigenschaften ging - die LS4 mithin auch ein Standardflugzeug für die Vereine werden kann -, hat Bernd Malzbender während einiger Flüge für den Pilot Report erfahren.

Die Erfolgsliste der LS4 ist lang: Weltmeisterschaften in Paderborn 1981 Platz 1 bis 7, Deutsche Meisterschaft '82 in Bayreuth Platz 1 bis 6, Nationale Meisterschaften '82 Australien, Neuseeland, Österreich, Schweden, Dänemark, Belgien, Schweiz, USA und Frankreich: jeweils erste Plätze, regionale Wettbewerbe, Landesmeisterschaften erste und vorderste Plätze, man könnte die Liste beliebig fortsetzen. Als vor rund zwei Jahren der Prototyp des LS4 am 28. März 1980 seinen Erstflug absolvierte, wagte bei Rolladen Schneider wohl niemand an einen derartigen Erfolg zu denken, und das, obgleich die Egelsbacher schon sehr erfolgsgewohnte Flugzeugbauer waren. Inzwischen hat sich der frische Wind, den die LS4 in die mancherorts schon totgesagte Standard-Klasse brachte, zu einem ausgewachsenen Sturm entwickelte. Kurzum, eine LS4 ist heute so gut wie nicht zu haben. Das Egelsbacher Werk verfügt über eine solide Auftragsdek-ke, die Lieferzeit beträgt mehr als 21 Monate. Bestellt man heute eine LS4, kann man sein Flugzeug im April 1984 abholen, und das, obgleich 10 bis 11 Flugzeuge pro Monat das Werk verlassen und beim Besuch der aerokurier-Redaktion gerade die Nr. 196 in der Form lag. Dennoch: An Kapazitätserweiterung denkt man bei Rolladen-Schneider unter diesen Umständen nicht, da die Investitionskosten über den Verkauf kaum noch erwirtschaftet werden können. „Es kommen auch wieder schlechtere Zeiten", meint Betriebsleiter Dieter Paff, obwohl das Ende des gegenwärtigen Booms noch lange nicht abzusehen ist. 80% des Wettbewerbserfolges gehen auf den „Piloten-Faktor", 10% auf Glück und 10% auf Konto Flugzeug, so lautet die Daumenregel. Mit diesen letzten 10% beschäftigt sich nachfolgender Bericht. Es war nicht einfach, vom Werk einen Termin zum Probefliegen zu bekommen. Da die fertiggestellten Flugzeuge den Egelsbachern „noch warm" buchstäblich aus den Händen gerissen werden, mag man sich den Luxus eines Probefluges nicht leisten, und erst nach mehreren Anläufen, die die aerokurier-Redaktion schon im vergangenen Jahr startete, gelang es, einen Termin zu arrangieren. Gottseidank spielte auch das Wetter mit, so daß ich mich Mitte Juni bei guter Thermik über dem kleinen Flugplatz Rheinheim in Hessen ausgiebig mit der LS4 beschäftigen konnte.

Abstellgleis

Durch die rasante Entwicklung der Rennklasse war die Standard-Klasse etwas ins Abseits gedrängt worden. Die ehemals so attraktive Klasse fristete ein Schattendasein, da sich die konstruktiven Entwicklungen über Jahre völlig auf die Rennklasse konzentrierten. Schuld war jedoch auch andererseits, daß die technisch konstruktiven Möglichkeiten bei der Standard-Klasse „ausgereizt" schienen. So geriet diese vormals so attraktive und beliebte Klasse aufs Abstellgleis.

LS4-Philosophie

Entwicklungen können durchaus durch die Klassen „sickern" und sich gegenseitig befruchten. So war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, wann die Ideen und Erfahrungen, die konstruktions-und entwicklungsmäßig über Jahre bei der Rennklasse gesammelt wurden, auf die im Dornröschenschlaf schlummernde Standard-Klasse zurückfallen würden. Es war der Rolladen-Schneider-Flugzeugbau, der die Initiative ergriff und zeigen wollte, welches Entwicklungspotential noch in der Standard-Klasse steckte. Basierend auf der Erfahrung aus Konstruktion und Bau der LS1-Serie (223 LS1 -c, 238 LS1 -f) und immerhin 437(!) Flugzeugen der LS3-Serie entstand auf den Reißbrettern ein Flugzeug, dessen Ziel es war, die Leistungslücke zwischen der alten Standard-Klasse und der Rennklasse deutlich zu vermindern beziehungsweise bis zu einem bestimmten Geschwindigkeitsbereich hin sogar ganz zu schließen. Nun könnte man leicht annehmen, daß - nach dem Muster des „festgestellten Fahrwerks" bei der Clubklasse - ein ähnliches Konzept bei der Standard-Klasse Anwendung gefunden hätte. Nichts wäre auch leichter gewesen, als die Klappen einer LS3 in einer bestimmten, die Leistung optimierenden Stellung festzuharzen, um so ein Standard-Flugzeug zu schaffen, das - zumindest in einem gewissen Bereich -die Leistungen des Rennklasse-Seglers erreichte. So einfach machten es sich Wolf Lemke und Walter Schneider allerdings nicht! Abgesehen von der geringen Breite des Leistungsspektrums eines solchermaßen „angepflockten" Rennklasse-Seglers hätte eine derartige Lösung das bei dem damals üblicherweise benutzten Rennklasse-Profil gravierende Problem des Leistungsschwundes bei Mückenbefall beziehungsweise Regen nicht gelöst. Zwei Eckwerte stellten sich Wolf Lemke, die als Minimum-Anforderung das Leistungsspektrum der neuen LS4 begrenzen sollten. Der eine betrifft die Steigleistungen, die sich an den hervorragenden Werten der LS1 orientieren sollten, der andere liegt im Bereich des Schnellfluges bis hin zu einer Geschwindigkeit von 150 km/h, wo mindestens die Gleitzahlen einer LS3 mit 0° Klappenstellung erreicht werden sollten. Interessant ist in diesem Zusammenhang vielleicht auch, daß die besten Gleitzahlen - so die Erfahrung mit der LS3-a - nicht, wie errechnet beziehungsweise im Windkanal vermessen, bei Klappenstellung -4°, sondern eben bei 0° erreicht wurden. Diese Erfahrungen wurden inzwischen auch bei allen anderen Rennklasse-Flugzeugen gemacht! Ein hoher Anspruch also an ein Standard-Flugzeug, ein hoher Anspruch eben an den Flügel und sein Profil, dessen Polaren sich im Kreisflug der LS1, im Schnellflug der LS3 möglichst annähern sollten. Darüber hinaus war der Mücken- und Regenempfindlichkeit der Kampf angesagt, hier mußten wirklich spürbare Erfolge sichtbar werden.

Der Flügel

Daß die Entwicklungsmöglichkeiten bei den herkömmlicherweise in der Standard-Klasse verwendeten Profilen noch lange nicht ausgeschöpft waren, davon waren Wolf Lemke und Walter Schneider überzeugt. So wählten sie aus dem Angebot der zur Verfügung stehenden Wortmann-Profile ein relativ dünnes Profil für die LS4 aus, das an der Wurzel eine Dicke von 16% und außen gar nur von 13% aufweist, (zum Vergleich: die LS1 hat eine mittlere Profildicke von 19%). Mit großer Sorgfalt, mit einem hohen Maß an Einfühlung, welches auf viel Erfahrung basierte, wurden Ober- und Unterseiten der Profile für die LS4 modifiziert und im Sinne der hochgesteckten Ziele qualifiziert. Beim Flügelgrundriß kehrte man zum bewährten und optisch ansprechenden Doppeltrapez zurück, das man u. a. aus fertigungstechnischen Gründen beim Wölbklappenflügel derLS3 aufgeben mußte, da für dieses Flugzeug ja eine durchgehende Klappe mit der Doppelfunktion von Querruder und Wölbklappe gewählt worden war. Dem kritischen Flügel-Rumpf-Übergang wurde besondere Aufmerksamkeit zuteil. Gab es zur Verringerung von Interferenzen im Wurzelbereich schon bei der LS1-f die Möglichkeit nachträglich anzubringender Hohlkehlen, so ist dieser Bereich bei der LS4 aerodynamisch - soweit nach dem heutigen Wissen möglich - optimal ausgeformt. Fertigungstechnisch gehört der angeformte Wurzelbereich zum Flügel, der anschließend mit dem Rumpf fest verklebt und dann an vorgesehener Stelle wieder getrennt wird. Zwei Wassertanks von je 70l Kapazität erlauben, die Flächenbelastung zwischen 30 und 45 kg/m2 zu variieren. Mit dem Schnellablaßsystem gelingt es, den gesamten Ballast in nur etwa 100 Sekunden loszuwerden.

Der Rumpf

Da die mit der Konzeption der LS4 verbundenen Ziele durch die Auslegung des Flügels bestimmt werden, wäre es nicht sinnvoll gewesen, nicht auf den ausgereiften Rumpf der LS3-a zurückzugreifen und etwas völlig Neues zu entwickeln. So lehnt sich dann auch der Rumpf der LS4 eng an das Konzept des LS3-a-Rumpfes mit seinem Komfort an, besonders was das Cockpit und die Radfederung betrifft. Auch Eleganz, Einfachheit der Bedienung und Sicherheit im Cockpitbereich sind gewohnter Rolladen-Schneider-Standard. Komplett neu wurde die im Flug verstellbare Rückenlehne gestaltet. Das T-Leitwerk der LS4 entspricht in seiner Auslegung ebenfalls dem der LS3. Aus der Art der Kinematik ist eine Fehlbedienung beim Anschluß des Höhenleitwerks nicht möglich. Geschickt gelöst ist das Problem des Lagerspiels, das bei der Ruderansteuerung leicht auftritt. Zwei Lager sitzen - geringfügig exzentrisch gegeneinander versetzt - wie auf einer Kurbelwelle auf der Stange des Antriebs und greifen in das Rudersegment. Tritt Spiel auf, braucht die „Kurbelwelle" nur ein wenig gedreht zu werden. Das gedämfte Höhrenruder besitzt -wie alle Ruder der LS4 - eine Spaltabdichtung, die Wirbelbildungen im Bereich der Ruderschlitze vermindert. In der Seitenflosse befindet sich ein Batteriekasten, der, falls Zurückverlagerung des Schwerpunktes erwünscht oder erforderlich ist, den Bord-Akku aufnehmen kann. Aufgrund der geringen Profildicke der LS4 ist man für die Montage der Tragflächen auf den Zungen-/Gabelanschluß zurückgekommen. Die Ruder-und Bremsklappenanschlüsse erfolgen mittels Schnellmontage-Kupplungen, über die Sicherungshülsen gedreht werden (siehe Bildfolge), wodurch unbeabsichtigtes Öffnen unmöglich gemacht ist. Der korrekte Sitz von Kupplung beziehungsweise Hülse ist mittels eingebauter Spiegel und Farbmarkierungen zu überprüfen. Die Montage erfolgt vom Cockpit aus, ein in vielfacher Hinsicht problematisches Handloch mit Deckel entfällt. Der Wasserschnellablaß schließt bei Montage der Flächen automatisch. Die vor Jahren mit der LS1 -f eingeführte einteilige, nach vorn aufklappbare Haube hat sich in der Praxis bis heute vielhundertfach bewährt und findet demzufolge auch bei der LS4 Verwendung. Die Instrumentenabdeckung ist in die Haube integriert und senkt sich beim Schließen in ihre Position. Die Arretierung der Haube geschieht sechsfach durch Bolzen, die größeres „Arbeiten" bei Temperaturschwankungen verhindern. In aufgeklappter Stellung verhindert eine Arretierung das unbeabsichtigte Auslösen des Notabwurfs, wodurch Fehlbedienung ausgeschlossen wird. Wie tadellos man in der LS4 sitzt, bemerke ich gleich nach dem Einsteigen. Die Rückenlehne ist für verschiedene Körpergrößen und Fallschirmformen an ihrer unteren Arretierung vierfach verstellbar und oben - zwecks Neigung für mehr oder weniger steile Sitzoder Liegeposition - in einem großen Bereich variierbar. Die breite, in die Rückenlehne integrierte Kopfstütze ist sehr angenehm. Bei einem Unfall bietet sie zudem Schutz vor womöglich aus dem Stauraum nach vorne fliegenden Gegenständen. Der Sitzkomfort ist hervorragend. Satt liegen die Oberschenkel auf dem ergonomisch geformten Sitz, und die gut erreichbare Pedalverstellung läßt sich exakt auf jede Beinlänge einstellen. Die sorgfältige Einstellung der Pedale ist deshalb besonders wichtig, weil mit den Pedalen die Radbremse durch Fersenschub betätigt wird. Auch dieses System wurde schon bei der LS3 eingeführt und hat sich sehr bewährt. Das Einfädeln der Beine beim Einstieg macht, da noch ausreichend Platz zwischen dem Standard-Instrumenten-Pilz und der Bordwand bleibt, keine Schwierigkeiten, die Notwendigkeit des Wiederausfädelns beim Notausstieg kann u. U. hinderlich sein, andererseits zeigt die Erfahrung aus mehreren Absprüngen aus der LS3/LS3-a, daß hier keinerlei Probleme auftreten. Gut gelöst scheint mir die Konstellation des Fahrwerks- und Klappenhebels. Sucht man bei eingefahrenem Fahrwerk nach der Klappenbetätigung, so kollidiert man zwangsläufig mit dem davorliegenden Fahrwerkshebel. Der so „störende" Fahrwerkshebel erinnert so manchen „Vergeßlichen" dann vielleicht an einen wichtigen Punkt des Lande-Checks . . ., das Ausfahren des Rades. Der Klappenhebel selbst ist schwenkbar und erlaubt somit individuelle und bequeme Handhabung. Der relativ weite Hebelweg ist nötig, um die doppelstöckigen Klappen feinfühlig zu dosieren, Platz ist genügend vorhanden, nirgendwo stößt der Arm an.

Trimmung

Mittels eines Trimmverriegelungshebels am Steuerknüppel läßt sich die LS4 über einen weiten Geschwindigkeitsbereich stufenlos trimmen. Wird der Verriegelungshebel betätigt, kann mittels des an der linken Bordwand befindlichen eigentlichen Trimmhebels der grobe Trimmbereich festgelegt werden. Für „normales" Fliegen reicht die Feintrimmung am Knüppel, erst für extreme Bereiche, etwa den schnellen F-Schlepp oder Schnellflug, wird die Benutzung der Trimmung über den Haupttrimmhebel erforderlich. An der Stellung des Trimmhebels in bezug zu einer Neutralmarke ist der Trimmzustand leicht zu erkennen und zu kontrollieren.

Start

Schon am Boden fühlt man sich aufgrund der idealen und auf jeden Bedarf einzustellenden Sitzpositionen der LS4 wohl. Leicht sind alle Bedienelemente zu erreichen, lediglich die Hebel für den Wasserablaß verschwinden beim Ziehen derart in ihrem Gestänge, daß man Arbeit hat, sie wieder herauszufischen, falls man den Wasserablaß unterbrechen will. Die Ruder gehen extrem leicht, die Sicht nach vorne und zur Seite ist hervorragend. Ich fahre die leicht gezogenen Landeklappen erst ein, als ich Ruderwirksamkeit spüre, um beim Anrollen die Auswirkungen des durch den Seitenwind abgelenkten Propellerstrahls des Schleppflugzeugs zu verringern. Dies wäre jedoch kaum nötig gewesen, da das Querruder schon anspricht, bevor der Mann an der Fläche richtig ans Laufen kommt. Beim Schlepp - wir steigen mit 140 km/h - rauscht die LS4 leidlich, da das Fahrwerk wegen der an der vorderen Fahrwerksschwinge sitzenden Kupplung nicht vor dem Ausklinken eingezogen werden kann. Die Ruderabstimmung ist ausgezeichnet, der Ruderdruck optimal, selbst im etwas bockigen F-Schlepp läßt sich die LS4 mit nur zwei Fingern fliegen. Angenehm ruhig wird es im Cockpit, nachdem das Seil ausgeklinkt und das Fahrwerk eingefahren ist. Der recht lange Fahrwerkshebel reduziert die Kräfte auf ein Minimum; ich kenne Flugzeuge, deren Fahrwerk man beim Kennenlernen zweimal einfahren muß . .., weil man beim erstenmal die zum Verriegeln nötige Kraft unterschätzt hat. Ich stelle fest, daß ich schon nach wenigen Minuten auf der LS4 „wie zu Hause" bin. Die Schnelltrimmung am Knüppel funktioniert einwandfrei und macht das schnelle Wegtrimmen von den - ohnehin geringen - Ruderkräften zum Kinderspiel. Der erste Bart ist schwach und zerrissen, aber er eignet sich hervorragend zur Überprüfung des Sensibilität der LS4. Hier kommt es auf die Ruderabstimmung an, auf die Wendigkeit bei Korrekturen, auf Kreisflugstabilität, Umsetzen von Steuerimpulsen und nicht zuletzt auf ermüdungsarmes Handling. Hier sammelt die LS4 einen Pluspunkt nach dem anderen: Hochsensibel reagiert sie auf leichteste Impulse aus Handgelenk und Fußspitzen, ohne dabei „nervös" zu wirken. Ihre Wendigkeit erlaubt außerordentlich exakte Korrekturen, dabei fliegt sie im Kreis so stabil, daß sie, einmal ausgetrimmt, kaum noch Aufmerksamkeit verlangt. Ich fliege nahe der hintersten Schwerpunktlage (etwa 350 mm), Wettbewerbsempfehlung: 360 mm, also hinterste Schwerpunktlage. Und da zeigt die LS4 so richtig, was sie beim Kurbeln kann. Ich kann das, was mir LS4-Meisterschaftspiloten berichteten, nur voll bestätigen: so harmonisch, so sauber abgestimmt fliegt kein anderes, mir bekanntes, Standard-Klasse-Flugzeug. Hier zeigt sich, daß sich der Aufwand, der am Prototypen hinsichtlich der Ruderabstimmung betrieben wurde, gelohnt hat. Dies gilt insbesondere für die Experimente mit verschiedenen Querrudergrößen, Differenzierungen, Umlenkungen und Ausschlägen.

Langsamflug

Mehrfach fliege ich schnelle Kreiswechsel, und der Faden scheint in der Wendephase festzukleben, was für die ideale Dimensionierung und Wirksamkeit des Seitenruders spricht. Ich nehme die Fahrt zurück und beobachte den Fahrtmesser, der sich weit unter der grünen Markierung befindet, als -bei voller Funktion aller Ruder - deutliches Rubbeln am Leitwerk den überzogenen Flugzustand ankündigt. Die Nadel des Fahrtmessers steht zwischen 65 und 70 km/h. Der Horizont ist längst aus dem normalen Blickfeld nach unten verschwunden - wer jetzt nicht merkt, daß er zu langsam wird, dem ist nicht zu helfen! Mit voll durchgezogenem Knüppel läßt sich die LS4 gut mit dem Seitenruder halten, das Rubbeln des Leitwerks wird zum leichten Schütteln, man hat das Gefühl, als versuche jemand, das Flugzeug zurückzuziehen. Die Querruderwirksamkeit ist stark herabgesetzt und bei entsprechend größeren Ausschlägen taucht die LS4 schließlich seitlich weg. Der erlittene Höhenverlust ist dabei gefühlsmäßig gering, da die Strömung sofort wieder anliegt. Nach dem Einleiten des Trudelns, wozu trotz hinterer Schwerpunktlage ein kräftiger Seitenruderausschlag nötig ist, dreht die LS4 zügig, um dann bei Anwendung der Standard-Gegenmaßnahmen jedoch ohne Verzögerung aus dem Trudeln herauszugehen. Mittlerweile ist es Zeit geworden, wieder Höhe zu tanken, und da kommt mir eine Ka 6, die gerade in der Nähe kurbelt und einen kräftigen Bart markiert, gerade recht. So gebe ich der LS4 die Sporen, und sie schneidet wie eine Rasierklinge durch die Luft, das Fahrtgeräusch wird selbst bei 180 km/ h kaum merklich lauter, wenn man vom Zischen der offenbar nicht ganz sauber schließenden Lüftung absieht. Ich ziehe in den Bart und sehe, wie der Höhenmesser die im Schnellflug verlorene Höhe, noch bevor ich die Kurve einleite, wieder eingesammelt hat. Im Bart beziehe ich 180° gegenüber der Ka-6-Position und merke nach etwa zwei Vollkreisen, wie der Ka-6-Pilot versucht, durch Langsamfliegen seine geringere Flächenbelastung dazu zu benutzen, „es dem Kunststoff zu zeigen, was in einem guten Holzflugzeug so alles drinsteckt". Er muß lernen, daß es - zumindest zeigt dies die LS4, wenn sie ohne Wasserballast fliegt -GfK-Flugzeuge gibt, die fast genauso langsam und eng kurbeln und fast genauso gut steigen können wie eine Ka6. Die Haubenlüftung, die ich an diesem heißen Tag gut gebrauchen kann, leitet einen Schwall frischer Luft breit gefächert über die Haubeninnenseite, wobei sie - recht wirksam - zum einen die Haube binnen 5 bis 10 Sekunden von Beschlag befreit, zum anderen auf der Stirn des Piloten jedoch einen unangenehmen Zug verursacht. Ein Hut ist also in der LS4 nicht nur der Sonne wegen zu empfehlen.

Schnellflug

Langsam drücke in den Knüppel und trimme auf voll kopflastig. Die LS4 schießt davon, wie wenn man einem arabischen Rennpferd die Sporen gibt. Wie mag sie erst mit vollen Wassertanks beschleunigen? Ich hätte es gerne ausprobiert und werde es baldmöglichst nachhohen. Übereinstimmend ist man allgemein der Meinung, daß es vorteilhaft ist, die LS4 - auch bei schwachen Wetterlagen - mit zumindest halbgefüllten Tanks zu fliegen, da die Sinkgeschwindigkeit sich fast unmerklich erhöht, die Gleitzahl sich jedoch selbst bei einer Flächenbelastung um 40 kg/m2 schon um drei Punkte verbessert. Der Trimmbereich reicht - wie gesagt, ich fliege mit nahezu hinterster Schwerpunktlage - bis knapp 210 km/ h. Die für diese Geschwindigkeit erforderliche Längsneigung ist erstaunlich gering. Die hohe Geschwindigkeit empfinde ich nur durch die relativ harten Schläge, wenn es durch die Thermik geht. Leichter Druck auf den Knüppel bringt die LS4 rasch auf 250 km/h. Auf die zulässigen 270 km/h verzichte ich, weil mir die Turbulenzen an diesem Tag hierfür zu stark erscheinen. Beim raschen Hochziehen in den Bart und der dabei auftretenden Beschleunigung wird mir einmal mehr der außergewöhnliche Sitzkomfort der LS4 bewußt, in dem der Sitzandruck gleichmäßig auch auf Oberschenkel und Rücken verteilt wird.

Landung

Die LS4 läßt sich gut slippen, nimmt man halbe Klappenstellung hinzu, „fährt" sie mächtig bergab. Der Slip ist jedoch wegen der großen doppelstöckigen Klappen ein durchaus verzichtbares Manöver, denn mit voll ausgefahrenen Klappen ist die Bremswirkung so stark, daß man glaubt, auf einer steilen Treppe zu stehen. Der Neigungswinkel erlaubt kürzeste Anflüge über Hindernisse, dabei läßt sich die Klappenwirksamkeit gut dosieren. Auch die Bremse ist ausreichend dimensioniert. Sie reicht aus, bei starker Verzögerung den Rumpfbug auf den Boden zu bringen, so lange die Bodenhaftung des Rades dies mitmacht. Nach meinen Erfahrungen mit der LS4 kann ich das, was mir Wettbewerbspiloten über Flugeigenschaften und Handling der LS4 anvertrauten, mit gutem Gewissen weitergeben, obwohl ich mir vorgenommen hatte, der LS4, die mit viel Vorschußlorbeeren versehen war, ganz besonders kritisch auf den Zahn zu fühlen. Nach meinem Urteil ist die LS4 ein rundum gut gelungener Wurf, an dem eben alles stimmt. Sie ist ein Flugzeug, das fliegerisch überhaupt keine Probleme macht und dabei Leistungen zeigt, die dem absoluten Anspruch auf Überdurchschnittlichkeit, natürlich auf ihre Klasse bezogen, gerecht wird. Idafliegmessungen haben die errechnete Polare der LS4 voll bestätigt, so daß die anfangs von Rolladen Schneider nur vorsichtig geäußerten und mit Restunsicherheit behafteten Leistungsdaten nunmehr erhärtet sind. Und so komme ich auf die Daumenregel zurück, bei der das Flugzeug mit etwa 10% am Wettbewerbserfolg beteiligt ist: ich habe persönlich den Eindruck, als seien es bei der LS4 doch 11,12 oder gar noch ein paar Prozent mehr... Die LS4 kostet, serienmäßig ausgerüstet mit Nackenstütze, vorbereiteter Fotohalterung, Wassertanks, Warnlackierung, Kennzeichen und gefedertem Fahrwerk, also flugfertig, jedoch ohne Instrumente, ab August 1982 DM 40200,- plus Mehrwertsteuer. Leistung hat eben auch ihren Preis! Dafür erhält man ein Standard-Klasse-Flugzeug, das nicht nur den heutigen Stand der Technik verkörpert, sondern auch dank seiner hohen Leistungen ein großes Maß an Zukunftssicherheit garantiert, und damit die für ein Flugzeug der Standard-Klasse hohe Investition durchaus gerechtfertigt erscheinen läßt.

Technische Daten und Leistungsangaben Rolladen Schneider LS 4

Einsitziger, freitragender Mittel-Schulterdecker für Leistungssegelflug.

Spannweite 15 m
Länge 6,84 m
Höhe 1,43 m
Rumpfbreite 0,64 m
Flügelfläche 10,5m2
Profil Wortmann FX 79- 162 bzw. FX 79- 133
Streckung 21,43
Rüstgewicht 245 kg
max. Zuladung 115 kg
max. Ballast 140 kg
max. Fluggewicht mit Ballast 472 kg
Flächenbelastung ohne Ballast etwa 29 kg/m2
Flächenbelastung mit Ballast etwa 45 kg/m2
höchstzulässige Geschwindigkeit
bei ruhigem Wetter 270 km/h
Mindestgeschwindigkeit 68 km/h
geringstes Sinken 0,65 m/s
beste Gleitzahl 40,5