Pilot Report ASW 27

Text und Fotos: Gerhard Marzinzik
Leistungssprung in eine neue Dimension? Das neue Rennklasseflugzeug ASW 27 von Alexander Schleicher Segelflugzeugbau ist kompromißlos auf 15 m Spannweite ausgelegt. Das Ergebnis: Ein am Boden leicht handhabbares, in der Luft überaus agiles Flugzeug mit Leistungen der alten Offenen Klasse! Die ASW 27, so Konstrukteur Gerhard Waibel, stellt die Leistungen der ASW 17 in den Schatten.

Die ASW 27 soll eine ganz neue Leistungsdimension eröffnen.

Dipl.-Ing. Gerhard Waibel hat keinen Zweifel mehr daran, daß das neue Rennklasseflugzeug ASW 27, die bei Konstruktionsbeginn gemachten Vorgaben erfüllen wird. So wird die beste Gleitzahl je nach Flächenbelastung zwischen 48 und 50 liegen - und damit in einem Bereich, der vor nicht allzu langer Zeit noch den Flugzeugen der (alten) Offenen Klasse vorbehalten war. Die gerechnete Polare der ASW 27 deckt sich im niedrigen Geschwindigkeitsbereich mit der der ASW 17 und verläuft im höheren Geschwindigkeitsbereich sogar noch günstiger. Dieser Ausblick ist einfach schlagend: Mit einem kleinen, agilen Rennklasseflugzeug Gleiten und Steigen wie zuvor mit den schweren, unhandlichen Flugzeugen mit 20 m Spannweite! Um dies zu erreichen, mußte das neue Rennklasseflugzeug so scharf wie nur möglich in die Vorgaben der unbeschränkten 15-m-Klasse (nach FAI-Definition) einpaßt werden. Bei Schleicher hat man sich deshalb folgerichtig entschlossen, ein reinrassiges Rennklasseflugzeug zu entwickeln. Kompromisse in Form von Optionen für eine Spannweitenerweiterung, um später mit einem Grundmuster zugleich Nachfragen nach einem 18-m-Flugzeug abdecken zu können, schlössen sich damit aus.
Schleicher beschritt deshalb als einziger deutscher Segelflugzeughersteller den Weg, zwei verschiedene Muster für Renn- (ASW 27) und 18-m-Klasse (ASH 26) anzubieten, um so das in jeder Gruppe geforderte Optimum anbieten zu können. Eine Betrachtung der Widerstandsbilanz eines 15-m-Flugzeugs macht sehr schnell klar, welche Ansatzpunkte ein Konstrukteur hat, die Leistung bei festgelegter Spannweite zu optimieren, und daß hier das Offenhalten von Erweiterungsmöglichkeiten den möglichen Fortschritt rasant einengen. So macht im Langsamflug (Kurbelgeschwindigkeit) der Induzierte Widerstand rund 50 Prozent des Gesamtwiderstands aus. Wirksam läßt er sich nur über die Streckung und teilweise auch mit Winglets verkleinern. Die ASW 27 erhielt deshalb einen Flügel mit Doppeltrapezgrundriß mit starker Zuspitzung und nur 9 m2 Fläche (Streckung 27) sowie Miniwinglets, die sich im Schnellflug widerstandsneutral verhalten sollen. So richtig umsetzen läßt sich der Vorteil der hohen Streckung, die zwangsläufig eine höhere minimale Flächenbelastung zur Folge hat, auch erst in der Rennklasse, wo über die Wölbklappe ein für den Langsamflug passendes Profil mit höherem maximalen Auftriebsbeiwert gewählt werden kann. Im Gegensatz dazu müssen Standard-Klasse-Flugzeuge mit einem Profil auskommen, das im Langsam- wie im Schnellflug passen muß, also viel größeren Einschränkungen unterworfen ist. Für die ASW 27 wurde an der TH Delft von Luc Boermans das Profil DU89-134/14 entwickelt. Die für den Langsamflug in Leistungen und Eigenschaften entscheidende Oberseite basiert im wesentlichen auf dem HQ 17, das sich bereits in ASW22/ASH25 bewährt hat. Als weitere Randbe-gingungen setzen hier die Forderungen nach größerer Verschmutzungstoleranz (Mücken, Regentropfen) einer leistungsoptimierten Auslegung zudem Grenzen. Die Flügelunterseite, die ganz wesentlich die Schnellflugleistungen bestimmt, wurde äußerst scharf mit einer laminaren Laufstrecke bis über den Klappenschlitz hinaus ausgelegt. Auch hier war wieder die Widerstandsbilanz Ratgeber: Im Schnellflug tritt der Anteil des Induzierten Widerstands fast völlig zurück, statt dessen bildet der am Flügel entstehende Widerstand (Profilwiderstand) mit über 50 Prozent den Hauptanteil am Gesamtwiderstand. In die Miniwölbklappe wurden Blasturbulatoren integriert Die weite Ausdehnung der laminaren Laufstrecke auf der Unterseite gelingt allerdings nur unter Inkaufnahme widerstandsträchtiger Ablöseblasen. Die zu ihrer Vermeidung zusätzlich erforderlichen Maßnahmen erzeugen zwar selbst wieder Widerstand, allerdings einen kleinen, so daß sich unterm Strich ein erheblicher Vorteil ergibt. Bei der ASW 27 wird kurz vor Ende der laminaren Laufstrecke (95 Prozent) in 92 Prozent Flügeltiefe der Umschlag von laminar zu turbulent durch Ausblasung erzwungen. Bei der ASW 27 wurde der Blaskanal in der Hinterkantenklappe (Wölbklappe und Querruder) integriert. Im Bereich der Anlenkungen, wo die extrem kleine Klappe für den Blaskanal nicht mehr genügend Volumen aufweist, übernimmt ein kurzes Stück Zackenband die Turbulatorfunktion.
Das Delfter-Profil wurde mit dem Start der Projekte ASW 27 und ASH 26 gleich für beide Flugzeuge ausgewählt. Mit der ASH 26, die in der Entwicklung als das Flugzeug mit dem größeren Markt vorgezogen wurde, fliegt es schon seit längerem. Für den Nachzügler 27 wurde die Zeit genutzt, neue Erkenntnisse mit einzubinden. So wurde der Außenflügel an die dort - aufgrund der sehr kleinen Reynoldszahlen - relativ dicke Grenzschicht angepaßt. Das Profil wurde vorn etwas dicker und hinten stärker eingeschnürt.

Sehr viel Aufmerksamkeit widmete man dem Rumpf-Flügel-Übergang.

Schließlich wird auch ein Wölbklappenflugzeug in den Extremen Langsamflug und Schnellflug mit sehr unterschiedlichen Anstellwinkeln (Nase oben, Nase unten) geflogen. Im rumpfnahen Bereich ist deshalb mit einer vom Rumpf abgelenkten turbulenten Strömung und damit einem effektiv veränderten Anstellwinkel zu rechnen. Mit einer aufwendigen Finite-Elemente-Rechnung wurde der Wurzelbereich des Flügels unter Betrachtung dieser Beziehungen in 100 Straaks optimiert. Große Verdienste hat sich hier Dipl.-Ing. Kristof Kubrynski von der TU Warschau erworben, der bei einem Gastaufenthalt an der TH Delft das Panelverfahren in ein PC-fähiges Programm umgesetzt hat.

Wochenlang gerechnet für einen besseren Rumpf-Flügel-Übergang

Heraus kam eine Schränkung und Aufdickung. So rutschte das obere Wölbungsmaximum weiter nach vorn, während die Endkante abgesenkt wurde. Das verbessert vor allem die Langsamflugleistungen. Der Ablösepunkt des immer vorhandenen Turbulenzkeils (siehe Skizze Seite 44) wird deutlich zur Flügelhinterkante verschoben und damit ein zu frühes Ablösen der Strömung verhindert, was sehr viel Widerstand spart. Die Unterseite erhielt im Übergangsbereich einen "Bauch", der im Schnellflug bewirkt, daß hier der vorzeitige Umschlag der laminaren Laufstrecke neben dem Turbulenzkeil fast vollständig verhindert wird. Mit dem Rumpf für die 27 hat man es ich bei Schleicher etwas einfacher gemacht, er stammt mit Modifikationen von der im Cockpit großzügiger gestalteten ASW 24B. Mit dem Ziel, Widerstand zu sparen, um Leistung bei guten Flugeigenschaften zu gewinnen, wurde allerdings das Höhenleitwerk neu konstruiert. Im Vergleich zur 24 ist es in der Spannweite kleiner geworden, und es hat eine größere Zuspitzung erhalten. Zudem wurde ein neues Profil verwendet. Wenn damit auch die Verwandtschaft mit der ASW 24B nicht zu übersehen ist, vor Verwechslungen ist die 27 sicher. Der eher schon etwas stumpfe, tropfenförmige Bug und die starke Rumpfeinschnürung, der Doppeltrapezflügel mit der außen stärker zurückgepfeilten Vorderkante und schließlich die zurückgesetzten Mini-Winglets geben der ASW 27 ein markantes eigenständiges Auftreten. Das Aufrüsten ist eine reine Freude. So wiegen die Tragflügel ohne die Wassersäcke (je 75 l) gerade einmal 56 kg. Der für diesen Bericht zur Verfügung stehende Prototyp verfügte allerdings noch über keine Wassersäcke (je 2 kg). Weder an Flügelspitze noch an der Wurzel muß schwer - den Rücken belastend - gehoben werden. Die Ruder schließen automatisch an. Die Winglets werden einfach aufgesteckt. Auch das Höhenruder schließt über eine Steckverbindung der Ruderflächen automatisch, das Leitwerk muß nur noch festgeschraubt werden. Den Höhen-Seitenleitwerks-Übergang hat Gerhard Waibel aufwendig optimiert. Der Übergang ist Teil des Höhenruders, so daß sich im Seitenleitwerk nur ein schmaler Verbindungsschlitz ergibt. Im Seitenleitwerk können zur Justierung des Schwerpunkts eine Batterie beziehungsweise Bleigewichte untergebracht werden. Eine weitere Batterie nimmt der Gepäckraum auf.

Schwerpunktwanderung zur Optimierung erwünscht

Ein Hecktank ist nicht vorgesehen. Gerhard Waibel begründet es damit, daß es bei Aufnahme von Wasserballast aufgrund der Flügelgeometrie und der Lage des Ballasts nahe dem Schwerpunkt nur zu einer minimalen Schwerpunktverschiebung nach vorn komme. Sie soll sich leistungsmäßig nicht auswirken. Für Wölbklappenflugzeuge, bei denen die Klappe ein sehr wirkungsvolles Höhenruder ist, gibt es ohnehin nicht die eine optimale Schwerpunklage, bei der sich am Höhenruder ein möglichst geringer Widerstand ergibt. Bei stärkerer Profilwölbung (am Tragflügel) liegt das Optimum der Schwerpunktlage innerhalb des zulässigen Bereichs weit hinten, mit negativen Wölbklappenstellungen wandert das Optimum weiter nach vom. Erst so stellt sich im Zusammenspiel der Höhensteuerwirkung von Wölbklappe und Höhenruder ein möglichst geringer Widerstand am Leitwerk ein. Am Boden läßt sich die ASW 27 auf dem großen Hauptrad (5 Zoll) und Heckrad mit ihren nur 230 kg Rüstmasse leicht rangieren. Das bis in die Flügelspitze verlaufende Querruder wird durch den ins Winglet integrierten Sporn bei einem Ablegen der Fläche gegen Beschädigungen durch Schleifen über den Boden geschützt. Vor allem unter Sicherheits- und Komfortgesichtspunkten wurde der Cockpitbereich gestaltet. Der Faserverbund-Schalenrumpf (CfK, GfK, Aramid, Polyethylen) erhielt im Bug eine verbesserte Knautschzone, von der im Falle eines Unfalls viel Energie aufgenommen wird. Das Fahrwerk erhielt unter diesem Aspekt ebenfalls eine Sollbruchstelle. Schon zum Standard zählen heute der Rögerhaken für den sicheren Haubennotabwurf - bei der ASW 27 als Bügel in den hinteren Haubenrahmen integriert - und die Anbringung der Gurte im H-Punkt sowie eine Rückenlehne mit Kopfstütze.

Das 27-Cockpit bietet viel Platz für große Piloten

Gegenüber der ASW 24B hat das 27-Cockpit noch einmal an Raum gewonnen. Wegen der geringeren Flügeltiefe an der Wurzel konnte das Cockpit in der Länge noch einmal um 3 cm wachsen. Selbst große Piloten um 1,90 m finden so bequem Platz. Die Sitzposition läßt sich über viele Justiermöglichkeiten sehr gut anpassen. Die Rückenlehne kann am Boden in der Verankerung in der Sitzwanne und im Fluge in der Neigung verstellt werden. Die Kopftstütze läßt sich ebenfalls anpassen. Die Seitenruderpedale sind in üblicher Weise verstellbar. Der Einstieg wie der Ausstieg (gegebenenfalls Notausstieg) aus dem Cockpit sind durch die mit dem großen I-Pilz weit nach vorn oben öffnende Haube bequem und schnell zu absolvieren. Nachdem die Sitzposition eingestellt ist, sind alle Bediengriffe gut zu erreichen. Wölbklappen- und Bremsklappenhebel an der linken Bordwand lassen sich bedienen, ohne daß der Ellbogen aneckt. Der Fahrwerkshebel ist auf der rechten Seitenkonsole angebracht und ist mit mäßigem Kraftaufwand ohne Umgreifen zu betätigen. Mit dem Bremsklappengriff wird zugleich die hydraulische Scheibenbremse des Hauptrads betätigt. Der Start zum Flug für diesen Bericht erfolgt auf dem Werksflugplatz Huhnrain im F-Schlepp. Angerollt wird mit negativer Klappenstellung, in der die beste Querruderwirkung zur Verfügung steht -Wölbklappen und Querruder sind differenziert überlagert -, dann wird stetig positiv gewölbt.

Mit ihren Flugeigenschaften steht die 27 in guter Tradition

Die ASW 27 fliegt dem Motorflugzeug stabil hinterher. Die Sichtverhältnisse sind bei Kurbelstellung der Wölbklappe gut. Versuchsweise fahre ich die Klappe auch einmal neutral, wobei gleich eine heftige Reaktion um die Querachse spürbar wird. Die Sicht nach vorn nimmt dabei insgesamt ab, reicht für den Schlepp aber durchaus noch aus. Das Fahrwerk kann, da die Bugkupplung genutzt wird, noch im Schlepp eingefahren werden. Die Kupplung sitzt etwas unterhalb der Bugspitze und wird derzeit noch unzureichend von zwei Gummilippen verdeckt. Der freie Flug bestätigt gleich die ersten guten Eindrücke. Die 27 liegt stabil in der Luft und zieht auch im Kurvenflug sehr stabil ihre Bahn. Auf Rudereingaben reagiert sie direkt. Der Unterschied zur großen Schwester ASH 26 mit ähnlich ausgelegtem Flügel und der gleichen Flügelsteuerung wird jetzt offenkundig: Man sitzt in einem kleinen, leichten, wendigen Flugzeug. Die Reaktion auf Steuereingaben erfolgt so unmittelbar, daß man fast sagen könnte, die ASW 27 denkt mit! Die Rhön hat an dem Flugtag nur kurzzeitige, immer wieder umherspringende Blauthermikblasen zu bieten. Hier ist die 27 ganz in ihrem Element, wieselflink und sicher läßt sich mit ihr den herumwabernden Blasen nachspüren. Sie läßt sich dabei auch sicher recht langsam fliegen, ohne daß sich eine Tendenz zum Tänzeln ergibt. Die Winglets leiten hier wie Schienen. Den Überzieheigenschaften hat die Optimierung des Rumpf-Flügel-Übergangs nicht geschadet, der Stall kündigt sich mit einer hohen Nase und deutlichem Schütteln an. Bei weiterem Überziehen gibt sich die 27 symmetrisch, will (aus dem Geradeausflug) mal nach links, mal nach recht abtauchen. Das Langsamflugverhalten ist insgesamt als gutmütig zu bewerten. Für den Vorflug läßt sich die 27 bequem über den Trimmentriegelungsknopf am Steuerknüppel über den gesamten Geschwindigkeitsbereich austrimmen. Die Fahrtaufnahme gestaltet sich mit Profilwölbung und Höhenruderstellung zügig und für die Praxis angemessen. Als sehr angenehm habe ich gerade im langsamen Kurvenflug das eher stabile Verhalten um die Querachse empfunden. Man kann die 27 sich selbst überlassen kreisen lassen. Die Betätigungskräfte der Ruder und der Klappen sind angemessen. Zum Klappengriff muß allerdings etwas hoch gegriffen werden. Bis in den Langsamflug hinein ist Ruderdruck spürbar, ohne daß er mit der Fahrt unangemessen ansteigt. Insgesamt sind die Ruder gut aufeinander abgestimmt. Es ist kein bewußtes Steuern notwendig, und sichert eine sehr gute Querruderwirksamkeit. Beim Ausrollen braucht aus dieser Stellung nicht negativ gewölbt zu werden. Auf dem holprigen Huhnrain macht sich gleich das gefederte große Rad angenehm bemerkbar. Es könnte vielleicht noch etwas weiter nach vorn ausschwenken, damit auch die letzte Nicktendenz noch unterbunden wird. Mein Eindruck nach diesem ersten Flug mit dem Prototypen: Die ASW 27 ist ein sehr einfach und angenehm zu fliegendes Flugzeug. Erweisen sich die projektierten Leistungsdaten jetzt auch in der Praxis, dann eröffnet der Renner aus der Rhön in der Tat eine neue Dimension in der Rennklasse.

Durch Feinschliff in der Vorserie

Das neue Rennklasseflugzeug ASW 27 von Schleicher Segelflugzeugbau ist jetzt zugelassen. Die Zertifizierung erfolgte erstmals für ein Segelflugzeug im C2-Verfahren durch LBA und FAA gemeinsam. Die Zeit bis zur Zulassung kam der ASW 27 mit einer Reihe von Tuningmaßnahmen zugute. ASW-27-Konstrukteur Dipl.-Ing. Gerhard Waibel ist der Stolz ins Gesicht geschrieben: Für sein "Baby", das neue Rennklasseflugzeug, wurde zum erstenmal ein gemeinsames Zulassungsverfahren (concurrent certification C2) des deutschen Luftfahrt-Bundesamtes £ (LBA) und der US-amerikanischen FAA, Directory Small Aircraft in Kansas City, im Bereich Segelflug erfolgreich durchgeführt. Gerhard Waibel ist mit der Zusammenarbeit der beiden Ämter sehr zufrieden und hat auch gleich ein Beispiel für das gute Funktionieren: "Der amerikanische Testpilot hat die ASW 27 noch vor Helmuth Fendt vom LBA geflogen, das in dem gemeinsamen Zulassungsverfahren eigentlich federführend war." Einige Punkte erforderten sehr viel Abgleich, so die Fragen zum Flatternachweis. Das hat sich aber gelohnt. "Jetzt liegt die Meßlatte gleich hoch. Die FAA wird nun an ihre Landsleute gleich hohe Forderungen stellen", freut sich Gerhard Waibel. Mit der ASW-27-Zulassung hat er somit dazu beigetragen, daß zwei wichtige Zulassungswelten für Segelflugzeuge jetzt auf einer Linie liegen: auf der einen Seite das LBA in Braunschweig als eine Zulassungsbehörde im Bereich der gemeinsamen europäischen Vorschriften (JAR 22) und auf der anderen die weit über die USA hinaus als Autorität geltende FAA. Die LBA-Urkunde für die ASW 27, die am 3. April 1995 den Erstflug absolvierte, gab es am 21. Januar. Die Zulassungsurkunde der FAA konnte Gerhard Waibel Ende Januar auf dem Segelfliegertag des amerikanischen Segelflugverbandes (SSA) in Arlington, Texas, entgegennehmen.

Viel Detailforschung im Windkanal

Bis zu diesem Punkt wurde noch fleißig an der Leistungsoptimierung der ASW 27 gearbeitet. Die Ausblasung wurde optimiert, damit das Profil so funktioniert wie gerechnet. Erkenntnisse aus der Praxis ergaben Änderungen der Flügelsteuerung. In einer umfangreichen Windkanal-Meßreihe klärte Profilentwickler Loek M. M. Boermans die Anforderungen für die Ausblasung am ASW-27-Flügel. Das Profil der 27 ist so ausgelegt, daß die laminare und damit widerstandsarme Laufstrecke der Strömung auf der im Schnellflug entscheidenden Flügelunterseite bis fast zur Flügelhinterkante reicht, jedenfalls deutlich über den Klappenschlitz hinwegstreicht. Damit der Umschlag von laminar zu turbulent nicht auf dem Umweg über die Bildung einer widerstandsträchtigen laminaren Ablöseblase erfolgt, muß dieser Umschlag durch Turbulatoren gesteuert herbeigeführt werden. Turbulatoren erzeugen zwar selbst Widerstand, in der Gesamtbilanz erweisen sie sich aber als vorteilhaft. In den Windkanaluntersuchungen in Delft bestätigte sich einmal mehr, daß dies bei der ASW 27 nicht mit einem Turbulatorband (Zacken, Noppen) erreicht werden kann. Als Stolperstelle für die laminare Strömung sind hier Blasturbulatoren notwendig. Unter welchen Umständen diese Ausblasung optimal wirkt, untersuchte Loek Boermans in drei Meßkampagnen. Dabei wurde die Lochdicke der Ausblaskanäle variiert und der Luftdurchsatz von 0 bis 8 cmVs gesteigert. Es stellte sich dann heraus, daß schon von 0,5 bis 1 cmVs Luftdurchsatz Turbulator-Wirkung vorhanden ist und daß sie von 2 cmVs gut ist und bei 5 cmVs ein Optimum erreicht. Bei noch stärkerem Durchsatz fällt die Wirkung wieder ab, richtet aber keinen Schaden an. Das Erleichternde an diesem Ergebnis: Die aufwendige Ausblasung ist zwar zwingend erforderlich, damit das Profil richtig funktioniert, die Aufnahme der Ausblasluft muß aber nicht mit der Fluggeschwindigkeit geregelt werden. Für die Ausblasung steht ja nur der fahrtabhängige Gesamtdruck zur Verfügung. Das System arbeitet nach den Windkanalerkenntnissen selbst dann noch, wenn die Fahrt um den Faktor 4 variiert. Gerhard Waibel: "Das brauchen wir nicht einmal." Und bei 70 km/h braucht ohnehin nicht ausgeblasen zu werden. Auf Basis dieser Meßergebnisse ist die Ausblasung bei der ASW 27 inzwischen optimiert worden, daß heißt, es wurden auch größere Blasmengen gewählt. Die Luftaufnahme für die Ausblasung erfolgt jetzt über vier NACA-Hutzen (16 mm breit und 4 mm tief) je Flügel. Sie haben sich in einem weiteren Windkanaltest im Vergleich zu zwei anderen als die effektivsten herausgestellt. Die Blasluft tritt dann aus 0,6-mm-Bohrungen aus. Gegenüber den ursprünglich verwendeten vier unverkleideten Pitotröhren, die rechnerisch rund 0,38 Gleitzahlpunkte kosten, sind die NACA-Hutzen natürlich auch die aerodynamisch eleganteren Einlaufe. Sie erzeugen nur rund elf Prozent des Widerstands, den ein unverkleidetes Pitotrohr erzeugt. Feinsttuning und sicherlich wirkungsvolle Optimierung der Ausblasung greifen hier ineinander. Ganz ohne Zackenband kommt aber auch die ASW 27 nicht aus. Damit die Luft nicht über die NACA-Einläufe hinwegströmt, klebt vor den Hutzen etwas Turbulatorband. Für das 18-m-Flugzeug ASH 26 gelten diese Erkenntnisse natürlich ebenfalls, schließlich verfügt es über dasselbe Profil. Hier wird Konstrukteur Dipl.-Ing. Martin Heide für die Umsetzung sorgen. Eine Erkenntnis aus dem praktischen Einsatz hat der ASW 27 ebenfalls eine Modifikation eingetragen. So hat sich herausgestellt, daß die elastische Verformung der Ruder im Schnellflug dazu führte, daß die Querruder sich nicht in der ihnen zugedachten Position befanden, sie standen dann etwas unter den Wölbklappen. Nachrechnungen der Luftkräfte und darauf abgestimmte Lastversuche haben die Beobachtung bestätigt. Der an der Knickstelle entstehende Interferenzwiderstand und überflüssige Teil des Profilwiderstands im Querruderbereich sollte natürlich vermieden werden. Die Querruderkinematik wurde daraufhin so verändert, daß das Querruder mehr Ausschlag macht und dann im Schnellflug trotz elastischer Verformung in der Biegelinie der Wölbklappen steht

Auch nach diesem Feintuning ist noch nicht alles geklärt.

So scheint es, daß das beste Gleiten nicht mit der Klappenstellung 10°, sondern mit einer von 12° erreicht wird. Und bis zur Schnellflugstellung (0°) haben Wettbewerbspiloten eine weitere Zwischenstellung von 5° als günstig herausgefunden. Hier gibt es also immer noch etwas zu tun. Das Profil wurde zwar im Windkanal sehr gut vermessen, für den Gesamtwiderstand, das Zusammenspiel von Klappenstellung und Rumpf, gilt jedoch wieder eine neue Rechnung. Anderes - und das wären nicht einmal ASW-27-spezifische Fragen - wird sicherlich noch länger offenbleiben. Denn eine Antwort auf diese Frage gibt es bislang nicht: Wann lohnt es sich, mit Mückenputzer zu fliegen, wann überwiegt der schädliche Widerstand des Mückenputzers den Nachteil von ein paar aufgefangenen Fliegen, also den eines leicht verschmutzten Flügels? Die ASW 27 wurde wie alle modernen Segelflugzeuge verschmutzungstolerant ausgelegt. Ein rauhes Profil (Mücken, Regentropfen auf der Nase) verursacht hier nicht gleich ein Zusammenbrechen des Auftriebs - ganz im Gegensatz zu den älteren, zum Teil sehr stark verschmutzungsempfindlichen GfK-Segelflugzeugen, die mit einer deutlich erhöhten Mindestfahrt (kleinerem Anstellwinkel) und damit entsprechend verschlechtertem Auftriebsbeiwert reagieren. Der Vorteil des "toleranten" Profils liegt darin, daß es auch bei turbulenter Strömung (aufgrund der Rauhigkeit) noch funktioniert, das "empfindliche" eben nicht mehr.

Der Widerstand wächst in jedem Fall

Bei einer Betrachtung des Widerstands liegen das "empfindliche" und das "tolerante" Profil - soweit von den fliegbaren Geschwindigkeiten her vergleichbar - bei Verschmutzung nicht so weit auseinander. Turbulente und damit dicke Grenzschichten erzeugen mehr Widerstand als laminare und damit dünne Grenzschichten. Da aber ein verschmutzungstolerantes Flugzeug langsamer fliegen kann als ein "empfindliches", kann man mit ihm selbst bei Mückenbefall noch ganz gut kurbeln und wird auch noch einigermaßen gleiten können - schließlich wächst hier bei der Gleitzahl in der Betrachtung als Quotient von Auftriebsbeiwert durch Widerstandsbeiwert nur der Nenner und verkleinert sich nicht zugleich der Zähler. Bei stärkerem Mückenbefall kommt es trotzdem auf die Putzmaschine an. Die Deutschen Segelflugmeisterschaften im vergangenen Jahr in Lüsse mit schon extremen Mückenaufkommen hat jedenfalls gezeigt: Wer putzt, steigt und gleitet besser. Regentropfen lassen sich dagegen schlecht putzen, und da weisen verschmutzungstolerante Flugzeuge die besseren Leistungen und das bessere Handling auf. Das Handling der ASW 27 wurde nach den Erfahrungen mit den Vorserienflugzeugen gleichfalls verfeinert. Die Knüppelwege wurden größer ausgelegt und die Ruderkräfte verringert. Interessant ist jetzt, die ASW 27 und die anderen neuen Rennklasseflugzeuge in einer objektiven Leistungsvermessung durch die Idaflieg/'DLR zu sehen.

Kommt die WK-Automatik?

Gute Handhabung

Technische Daten und Leistungsangaben Schleicher ASW 20

Einsitziger, freitragender Mittel-Schulterdecker für Leistungssegelflug.

Flügel: zweiteiliger Doppeltrapezflügel, GFK-Schaumschale, Rovingholm mit Zunge-Gabelverbindung, integriertes Wölbklappen-Querrudersystem über ganze Spannweite mit 4 außenliegenden, verkleideten Antrieben. Schempp-Hirth-Bremsklappen auf Flügeloberseite.
Rumpf: reine GFK-Schale, Vorderteil Doppelschale, Schwerpunktkupplung, nach vorn klappbare Haube, Pedale, Rückenlehne und Nackenstütze verstellbar.
Leitwerk: gedämpftes T-Leitwerk mit eingebauter Antenne. Federtrimmung.
Fahrwerk: ungefedertes Einziehfahrwerk, mechanische Innenbackenbremse, Rad 5.00-5, aerodynamisch geformter, elastischer Schleifsporn.
Spannweite 15 m
Länge 6,82 m
Höhe 1,45 m
Flügelfläche 10,5m2
Streckung 21,43
Rüstgewicht 250 kg
max. Zuladung 115 kg
max. Fluggewicht ohne Ballast 375 kg
max. Ballast 120 kg
max. Fluggewicht mit Ballast 454 kg
Flächenbelastung ohne Ballast etwa 32 kg/m2
Flächenbelastung mit Ballast etwa 43 kg/m2
höchstzulässige Geschwindigkeit
bei ruhigem Wetter 270 km/h
bei starker Turbulenz 180km/h
bei Flugzeugschlepp 180 km/h
bei Windenstart 125 km/h
Mindestgeschwindigkeit 65 km/h
geringstes Sinken bei 73 km/h 0,6 m/s
beste Gleitzahl (15m) 43
beste Gleitzahl (16,5m) 45