Test: Glasflügel Kestrel

Text und Fotos: Dieter Schmitt

In den beiden letzten Jahren haben mehrere Segelflugzeugtypen aus Deutschland durch besondere Leistungen und wiederholte Wettbewerbserfolge von sich reden gemacht. Es sind durchweg moderne GFK-Konstruktionen der in der ganzen Welt bekannten deutschen Hersteller, und es ist kein internationaler Wettbewerb denkbar ohne die Teilnahme dieser GFK-Hochleistungsflugzeuge, ganz gleich, in welchem Erdteil auch immer und unter welchen Wetterbedingungen. Eine dieser erfolgreichen Konstruktionen ist der Kestrel der Firma Glasflügel - Ing. Eugen Hänle in Schlattstall. Zum Nachfliegen stand mir eine Werksmaschine zur Verfügung, auf der schon mehrere nationale Meistertitel errungen und internationale Wettbewerbe gewonnen worden waren.

Die Bauausführung entsprach bis auf unwesentliche Merkmale der jetzigen Serienproduktion. Das Flugzeug war in dem bewährten Hänle-Anhänger verpackt, der die Montage mit nur 2 bis 3 Mann sehr erleichtert. Trotz starken und böigen Windes waren nur wenige Minuten erforderlich, um die Maschine startklar aufzurüsten. Der Flügel hat den bewährten Zunge-Gabelanschluß mit Zentralsteckbolzen, wobei ein trickreiches Zusammenschieben entfällt, weil man mit einem kleinen Hebel nach Einsetzen in zwei Stifte auf Zunge und Gabel beide Flügelteile leicht zusammenschieben kann. Der Hebel gehört zum Werkzeug. Sicher wirkt sich diese einfache Methode verschleißhemmend auf die Beschläge aus, denn ein solches Flugzeug wird nun einmal sehr oft montiert. Gesichert wird der dünne Zentralbolzen durch Drehung und Einrasten. Lediglich die beiden Querruderanschlüsse müssen mit selbstsichernden Steckbolzen manuell angeschlossen werden. Wölbklappen- und Bremsklappen-Antrieb kuppeln automatisch ein. Das gedämpfte Höhenleitwerk wird auf zwei Bolzen aufgeschoben und mit einem rastbaren Sicherungsstift fixiert, nachdem der Stahlbügel der Trimmklappe im Führungsbolzen sitzt. Für die Leitwerkmontage sind vielleicht 30 Sekunden erforderlich, wobei der Vorgang optisch kontrolliert werden kann. Diese kleine Trimmklappe bewegt sich atomatisch gleichsinnig mit dem Höhenruder und dient einem besseren Handkraftverlauf. Über die Höhentrimmung wird noch einiges zu sagen sein, denn sie ist eine Delikatesse. Der Haubenaufsatz, mit dem die nach hinten zu klappende Haube leicht abnehmbar verbunden ist, wird auf zwei Bolzen aufgeschoben und mit zwei Imbusschrauben festgezogen. Diese Art der Befestigung ist sonst nicht üblich, man braucht den Imbusschlüssel und weitere 30 Sekunden Zeit. Aber dafür wird die Möglichkeit geboten, die Haube entweder abzunehmen oder hochzuklappen, was sehr angenehm ist und die Haube schützt. Die Haubenverriegelung mit zwei Hebeln links und rechts am Haubenrahmen ist angenehm zu handhaben und sicher. Eine innen an der rechten Seitenwand angebrachte Checkliste zwingt zur Kontrolle und erhöht die Sicherheit. Auch die Demontage geht schnell von der Hand, und das Verstauen ist wegen der Auflagen und Scheren auf Rollen zum Einschieben in den Anhänger ohne Kraftaufwand möglich. Gerade bei Flugzeugen der Offenen Klasse mit ihren größeren Flügelgewichten spielen solche Dinge eine Rolle, denn beim normalen Flugbetrieb kommen heute sehr viel mehr Flugzeuge pro Mann zum Einsatz, als noch vor wenigen Jahren für möglich gehalten wurde, wenn man einmal von Wettbewerben absieht. Mit seinen 17 m Spannweite liegt der Kestrel also in bezug auf Handlichkeit am Boden und Montage noch im günstigen Bereich, aber eben an der Grenze für einen zweiteiligen Flügel, denn immerhin wiegt eine Hälfte 72,5 kg. Maschinen mit 18 m Spannweite oder mehr verlangen dann schon deutlich mehr Aufwand bei der Montagearbeit, entweder wegen des höheren Gewichtes der Teile oder (und) weil der Flügel drei- oder vierteilig ist.

Die Wetterlage am Testtag war gekennzeichnet durch böigen, starken Nordostwind bei hohem Druck und einer Inversion zwischen 900 und 1200 m NN, wolkenlos. Ich hatte mich nur in Blauthermik mit kaum zentrierbaren, zerfetzten Barten herumzuschlagen, wobei in 1000 m die Windgeschwindigkeit etwa 50 km/h betrug. Schon beim Start hatte ich starken Seitenwind, der aber dem Kestrel beim Anrollen nicht viel ausmachte, denn schon hierbei ist die Ruderwirkung gut. Zum Schleppen stand die brandneue Robin DR 300/ 180 R der Firma Glasflügel zur Verfügung, die mich im Durchschnitt mit über 4 m/s bei gleichmäßigen 115 km/h nach oben zog. Das war schon sehr imponierend, aber nicht weniger erstaunte mich, mit welcher Leichtigkeit man den Kestrel sowohl beim Start mit bockigem Seitenwind als auch beim Schlepp in turbulenter Luft sauber hinter der Schleppmaschine halten kann. Ich erinnere mich an kein Flugzeug dieser Klasse, das sich beim Schlepp ebenso leicht handhaben ließ - auch bei Turbulenz - wie der Kestrel. Beim Anrollen hatte ich übrigens die Wölbklappen auf Position minus 1 und stellte sie nach Fahrtaufnahme zum Abheben auf plus 1 während des Schlepps. Es sind insgesamt sechs Stellungen möglich: -2, -1, 0, +1 und zwei Rasten um +2. Sehr gut ist die Markierung der maximalen Geschwindigkeiten für die verschiedenen Wölbklappenstellungen am Fahrtmesser, damit Überbelastungen leichter vermieden werden können. Die Rasten sind nicht zu tief, der Federdruck gerade richtig, so daß auch leicht eine gleitende, stufenlose Handhabung beim Delphinstil möglich ist.

Das Fahrwerk hatte ich nach Erreichen der Sicherheitshöhe in etwa 100 m Höhe eingezogen. Dieser Vorgang ist leicht zu bewerkstelligen - auch das Ausfahren -, der Griff rastet leicht ein und stört in seinen beiden Positionen an der rechten Bordwand überhaupt nicht, liegt jedoch günstig für die Betätigung. Die Position des Wölbklappenhebels an der linken Bordwand neben jenem für die Bedienung der Bremsklappen ist ebenfalls handgerecht, und man kommt trotz der örtlichen Nähe nicht in die Verlegenheit, die Hebel zu verwechseln. Auch was den nötigen Kraftaufwand anbelangt, kann man sich hier nicht irren, denn die Betätigung der Bremsklappen erfordert erhebliche Kräfte. Ebenso ist ihre Regulierung nur schwer möglich; bei Geschwindigkeiten über 150 km/h lassen sie sich kaum noch einfahren. Dies wird aber geändert. Da der Kestrel so ziemlich alles an moderner Technik installiert hat, was möglich ist, sind natürlich insgesamt zahlreiche Bediengriffe vorhanden: Fahrwerkhebel, Wölbklappenhebel, Bremsklappenhebel, Bremshebel für das Hauptrad unter dem Knüppelgriff, links daneben der Griff zum Ausklinken für beide Seilkupplungen, rechts davon der Zug für die Verstellung der Pedale, im Instrumentenbrett oben links der Zughebel für volle Landestellung der Wölbklappen, in der Mitte daneben Lüftungszug, rechts der Griff zum Abwurf des Bremsschirms, räumlich deutlich davon getrennt an der linken Bordwand der Betätigungszug zum Ausbringen des Bremsschirms. An der rechten Bordwand schließlich befindet sich noch die Rastschiene mit Ring zum Verstellen der Rückenlehne. Es fällt mir nichts ein, was man noch einbauen könnte. Die Anordnung aller Hebel und Griffe muß als wohl überlegt und handgerecht bezeichnet werden. Zu empfehlen ist in jedem Falle, etwas Cockpittraining zu machen, damit der Pilot die reichhaltige technische Ausrüstung auch zur Leistungssteigerung einsetzen kann. Auch zum eigenen Komfort für die Erhaltung der physischen Leistungsfähigkeit ist im Kestrel viel getan worden. In ruhiger Luft, 1000 m über der Inversion, hatte ich ausgeklinkt und ausgetrimmt, Wölbklappenstellung auf 0.

Diese Höhentrimmung ist wirklich etwas Besonderes, wenn auch technisch einfach. Es ist eine Federtrimmung, durch die der Ruderdruck aus dem Knüppel genommen werden kann, allein durch den Druck auf einen Knopf. Dieser Knopf gibt eine Zahnstange frei, die durch zwei Spiralfedern sofort in eine Stellung gebracht wird, die nach Wiedereinrasten der Stange durch Loslassen des Knopfes eine für die augenblickliche Ruderstellung druckfreie Knüppelhaltung ermöglicht. Eine mitlaufende Zahnscheibe auf dem waagerecht abgekröpften Knüppelrohr kann bei Lösestellung des Knopfes auch leicht auf eine bestimmte Trimmstellung vorgewählt werden. Lediglich in der Landestellung der Wölbklappen beaufschlagt eine weitere Feder das Gestänge, um die hierbei zusätzlich erforderlichen Kräfte bei der Lastigkeitsänderung aufzubringen. Der ganze Vorgang ist verblüffend einfach in der Handhabung und geschieht im wahrsten Sinne des Wortes mit dem kleinen Finger: nämlich mit dem der rechten Hand, die ja sowieso den Knüppel hält. Kaum eine elektrische Trimmung - wie bei großen, aufwendigen Flugzeugen - schafft einen so schnellen Ausgleich, wie das hier geradezu spielerisch möglich ist. Zugegeben: Dort - bei den aufwendigen Flugzeugen - ist es so schnell auch nicht notwendig, außer bei Hochleistungsflugzeugen für militärische Aufgaben, bei denen große Wendigkeit gefordert wird, z. B. beim Starfighter. Aber welcher Unterschied im Aufwand! Und noch etwas: Während alle sonstigen Trimmungen - manuell oder elektrisch -erst in ihrer richtigen Stellung in Knüppel oder Steuerhorn auf Druckfreiheit erfühlt werden müssen, geschieht das beim Kestrel automatisch für die gewählte Steuerposition durch kurze Betätigung des Knopfes. Diese Trimmung ist wirklich eine Delikatesse und ihre Einfachheit patentwürdig!

In 2000 m NN erflog ich die Vmin mit Wölbklappenstellung 0 bei 72 km/h Anzeige. Bei Stellung +1 lag die Abreißgeschwindigkeit bei 70 km/h und bei +2 schließlich um 68 km/h. Das entspricht den Werten der Prospektangaben in Bodennähe. Ein Schütteln im Leitwerk als Vorwarnung konnte nicht festgestellt werden, jedoch fing die Maschine 5 km/h vorher mit einem leichten Schwanken um die Längsachse an und nahm, auch mit hinten gehaltenem Knüppel, Fahrt auf. Mit dem Seitenruder können diese Bewegungen leicht ausgeglichen werden, so daß sich der Vogel in einer sackflugähnlichen Lage halten läßt mit deutlicher Fahrtzunahme. Aus einer 30°-Kurve geht er allerdings beim Oberziehen, ohne zu warten, nach der entsprechenden Seite. Durch leichtes Nachlassen des Knüppels läßt er sich jedoch sofort wieder voll steuern. Auch im Geradeausflug zeigt der Kestrel beim Oberziehen mit Treten in das Seitenruder seine Neigung zum Trudeln, das sofort in einen steilen Spiralsturz übergeht. Allerdings kann man ihn auch augenblicklich - nach 'A Umdrehung - wieder herausnehmen. Dazu genügt im Knüppel Neutralstellung und voll Seitenruder, jedoch muß sofort abgefangen werden, denn er nimmt natürlich sehr schnell Fahrt auf. Leider ist die Betätigung der Bremsklappen gerade bei größeren Geschwindigkeiten schwergängig; dagegen erlaubt die hohe Festigkeit der Zelle Geschwindigkeiten bis zu 250 km/h bei jedem Wetter! Noch flog ich in der ruhigen Luft über der Inversion und hielt den Knüppel lose bei der Höchstgeschwindigkeit. Dabei liegt die Maschine ruhig, und die Flügeldurchbiegung ist relativ gering. Sehr günstig wirkt sich dabei aus, daß bei jeder negativen Wölbklappenstellung auch die Querruder mit dem gleichen Winkel nach oben gestellt werden, bei Stellung -2 sind das -8°! Bei positiver Verstellung bis + 2 erreichen die Wölbklappen +12°, die Querruder jedoch nur +10° Anstellung. In diesen Bereichen von -8° bis +12°, die durch den seitlichen Verstellhebel gesetzt werden, können die Wölbklappen durch den Zughebel für Landestellung um weitere etwa 23° überlagert werden. Allerdings ist auch hier eine gewisse Differenzierung wirksam: Der größte Ausschlag von 36,5° der langen, vom Rumpf bis zu den Querrudern reichenden Wölbklappen, wird bei Stellung +2 (+12°) erzielt, der kleinste ist 30,5° bei Position -2 (-8°) des seitlichen Wölbklappenhebels plus Landestellung. Bei den drei mittleren Positionen -1, 0, +1 mit Überlagerung durch den gezogenen Landeklappenhebel werden Werte zwischen 30,5° und 36,5° eingestellt. Über dieses ganze System sind die Querruder den Wölbklappen differenziert überlagert, und zwar im Bereich der Wölbklappen-Positionen von -2 bis +2 (-8° bis +12°) mit einem Verhältnis von 3:1. In der Landestellung der Wölbklappen ist das Verhältnis jedoch sehr viel geringer, um zwar noch genügend Ausschlag am Querruder zu haben, aber andererseits die Strömung an den sehr schmalen Klappen nicht abreißen zu lassen. Selbstverständlich ist die übliche Querruderdifferenzierung von etwa 2 :1 davon unberührt, und das gleiche gilt für die zusätzliche Trimmfeder, die erst in Landestellung der Wölbklappen das Gestänge beaufschlagt. Dieses ganze Gestänge mit der Überlagerungskinematik war in den ersten Serienmaschinen noch nicht eingebaut, und man muß es als Meisterstück ansehen, daß es nicht nur auf engstem Raum an der linken Seite in Höhe des Flügelanschlusses so sauber untergebracht wurde, sondern sogar nachgerüstet werden kann. Durch die ausgefeilte Abstimmung in der Überlagerungskinematik Querruder- Wölbklappen ist bei allen Klappenstellungen in den dazugehörigen Geschwindigkeitsbereichen eine außerordentliche Harmonie der Querruderwirksamkeit mit der von Höhen- und Seitenruder erzielt worden, die bei wachsenden Spannweiten immer größere Sorgen bereitet. Diese angenehme Tatsache machte sich am Testtag mit seinen turbulenten Aufwindverhältnissen besonders deutlich bemerkbar. Die Rollzeiten von 45° zu 45° müssen bei der Spannweite als gut bezeichnet werden und wurden bei 100 km/h mit Klappenstellung +1 im Mittel mit 3,8 Sekunden gestoppt, bei 0° mit 4 Sekunden. Das Ein- und Ausleiten von 30°-Kurven nur mit Seitenruder und fixiertem Knüppel geht ohne nennenswerte Fahrtänderung auffallend schnell und exakt. Auch das Seitenruder macht also hier mit, und man kann auch einwandfrei eine gute Slipwirkung erzielen, allerdings mit geringem Hängewinkel. Dabei saugt sich das Seitenruder fest. Die Sinkgeschwindigkeit konnte wegen Schräganblasung nicht gemessen werden. Beim Kreisflug liegt der Kestrel auch in Turbulenz ruhig, wobei die aufzuwendenden Steuerkräfte gering und ebenfalls gut aufeinander abgestimmt sind. Die Steuerwege sind auffallend kurz, was ich als angenehm empfand. Eine Ermüdung ist bei diesen günstigen Voraussetzungen kaum im Flugzeug zu suchen, zumal auch die Sitzposition das Prädikat ausgezeichnet verdient. Die Schenkel liegen auf, und wem das nicht -wie mir - zufällig paßt, kann das Kissen unter den Knien mit einem Blaseball aufblasen. Mich störte nur etwas die Haltung der Füße in den Pedalen, jedoch dürfte das durch eine kleine Änderung des Auflagewinkels leicht zu verbessern sein. Übrigens habe ich den Eindruck, daß größere Piloten im Kestrel günstiger sitzen als kleinere, was meistens umgekehrt ist. Das ist meines Erachtens auf die etwas zu breite Konsole des Instrumentenpilzes zurückzuführen. Langbeinige haben dadurch eine geringere Tendenz zur O-Beinstellung mitzumachen als Kurzbeinige. Auch das ließe sich leicht ändern und sei der Geringfügigkeit halber nur am Rande erwähnt. Immerhin flog ich über vier Stunden und stieg nur ungern wieder aus - ohne die geringste Nachwirkung. Ein sogenannter Himmelsrucksack gehört zur Maschine und dient nicht nur als Behältnis für Reiseutensilien, sondern auch als Nackenstütze. Ich halte zwar bei der guten Halbliegeposition eine solche Stütze für unnötig - ich hatte auch keine -, aber als kleiner Gepäckraum ist das Behältnis fast unentbehrlich.

Obwohl die Außentemperatur nicht hoch war, schien die Septembersonne noch stark genug, so daß ich die beiden Lüftungsöffnungen, deren Luftzufuhr vom Rumpfbug kommt, voll auf hatte. Wenn in tropischen Zonen geflogen wird, darf nicht vergessen werden, daß der Körper fast in seiner ganzen Länge unter der großen Haube der Sonne ausgesetzt ist. Mir wurde jedenfalls ziemlich warm. Allerdings ließ ich das Schiebefenster geschlossen, das mit einer separat ausstellbaren Luft-hutze ausgerüstet ist. Im Bedarfsfall kann damit ein starker Luftstrahl auf Oberkörper und Gesicht gelenkt werden. Um in ruhiger Luft die Wirkung der Bremsklappen noch zu messen, führte ich entsprechende Versuche schon nach dem Trudeln durch. In meiner Maschine waren noch doppelte Bremsklappen eingebaut; die Serie hat jetzt nur noch solche auf der Flügeloberseite, aber mit größerer Spannweite. Die Wirkung soll die gleiche sein. Mit Wölbklappenstellung 0 und 100 km/h erzielte ich gleichmäßige 4 m/s, bei 120 km/h 6 m/s Sinken. Mit voll gefahrenen Wölbklappen und ausgefahrenem Fahrwerk zeigte das Variometer bei 100 km/h über 5 m/s. Wenn man berücksichtigt, daß außerdem noch der abwerfbare Bremsschirm zur Verfügung steht, so sind kürzeste Landungen mit sehr steilem Anflugwinkel möglich. Der Bänderschirm mit 1,3 m Durchmesser von Kosteletzky ist im Seitenruder untergebracht. In der turbulenzfreien Luft konnte ich gerade noch die Gleichgewichtsgeschwindigkeiten erfliegen. Wölbklappenstellung 0 ergab den Bereich 95-100 km/h, bei +1 etwa 85 km/h und bei -1 eine Anzeige von 115 km/h. Danach hatte ich endgültig den Bereich der Turbulenzzone mit kaum zentrierbaren, aber um die Mittagszeit recht kräftigen Aufwindfeldern erreicht, die zum Teil in der günstigsten Höhe um 600 m über Grund bis über 4 m/s hergaben. Einmal mußte ich mich aus knappen 100 m - allerdings in Platznähe - wieder hocharbeiten, hatte mich aber inzwischen schon soweit mit dem Flugzeug vertraut gemacht, daß diese im Leistungssegelflug und bei Wettbewerben hundertfach erlebte Situation mich überhaupt nicht berührte. Dies ist in erster Linie den ausgezeichneten Flugeigenschaften des Kestrel zu verdanken, die schon nach kurzer Zeit eine freundschaftliche Verbundenheit aufkommen lassen. Unter diesen guten Eigenschaften will ich nicht nur die Harmonie in Ruderwirkung bei angenehm geringen Steuerdrücken sowie auffallend kurze Steuerwege verstanden wissen, sondern auch die anatomisch hervorragende Sitzposition mit den handgerecht gruppierten Bedienhebeln und der famosen Sicht aus der schlierenfreien, großen Haube. Die geringe Spiegelung in der Haube wäre durch eine Abschirmung des Instrumentenbretts nach oben leicht zu unterbinden. Dies gilt auch für eine Stelle ganz vorn im Bereich des festen Haubenteils. Um in Bodennähe bei der vorherrschenden Bockigkeit nicht aus dem Bart geschmissen zu werden, kurbelte ich mit einer Schräglage von etwa 60° und wurde dafür mit 4 m/s nach oben gerissen. Gerade diese Lagen lassen sofort erkennen, ob es dem Konstrukteur gelungen ist, einem Segelflugzeug hoher Leistung auch noch gute Flugeigenschaften mit in die Wiege zu legen. Je größer die Spannweiten und damit die Gleitflugleistungen werden, desto erheblich größer werden die Schwierigkeiten und damit der technische Aufwand, um in das Flugzeug auch noch genügend gute Flugeigenschaften hineinzukonstruieren.

Der Kestrel verfügt über die für seine Klasse ausgezeichneten Flugleistungen und -eigenschaften, die aber nicht nur der aerodynamischen Güte der Zelle allein zu verdanken sind, sondern auch dem technischen Repertoire. Dazu zählen in erster Linie die Wölbklappen für günstige Langsam- und Schnellflugleistungen. Aber nur deren kontinuierliche, exakte Handhabung für jeden Geschwindigkeitsbereich vermag die Überlegenheit einer Wölbklappenmaschine zu demonstrieren. Dazu gehören natürlich etwas mehr Fleiß und einige Übung auf dem entsprechenden Typ, aber wer häufig fliegt, dürfte nach einigem Training das Optimum herausholen können. Das zeigt auch die Erfolgsliste des Kestrel. Die mir zur Verfügung stehende Werksmaschine mit ihrem bekannten Namen "Sucy-en-Brie" hatte zusätzlich eines der fortschrittlichsten Variometersysteme eingebaut: den Air Data Computer MK2 von Skye, mit Audio, einstellbarer Vorwarnung, elektrischer Dämpfung, Integratorschaltung, el. McCready-Einstellung mit der dazugehörigen el. O-Anzeige usw. Natürlich mußte ich mich erst mit dem Gerät vertraut machen, aber dann klappte das Zusammenspiel prächtig: hartes Hocharbeiten in engsten, zerrissenen Barten mit Wölbklappenstellung + 1 - Variometereinstellung -, weicher Übergang in den Schnellflug mit Wölbklappenregulierung bis -1 bzw. -2, wobei die Maschine nicht nur schnell Fahrt aufholt, sondern auch nahezu ihre Lage beibehält. Viel Trimmarbeit ist nicht nötig, und das bißchen geht mit dem kleinen Finger. Dann wieder hochziehen in den nächsten Bart mit zügiger Klappenregulierung zurück zu +1 und trimmen, zentrieren. Leider mußte ich immer den nächstbesten Bart nehmen, da ich im Schnitt nur unter 500 m über Grund flog, und ich wollte keinesfalls mit dem mir anvertrauten wertvollen Flugzeug eine Außenlandung riskieren, obwohl das bei den vielen Landehilfen sicher keine Schwierigkeit gemacht hätte. Ich flog grundsätzlich gegen den Wind, der mit etwa 25 kts aus NO blies, und es war eine Genugtuung, festzustellen, wie gut man mit dem Kestrel penetrieren kann, auch wenn die Situation durchaus nicht günstig ist. Einmal machte ich mir beim Rückflug zum Platz einen Spaß daraus, eine viersitzige Motormaschine, die schräg über mir flog, spielend zu überholen. Wenn man dann aus 250 km/h den Kestrel flach nach oben zieht, zeigt er nochmals deutlich die aerodynamische Güte seiner Zelle, denn es dauert ewig, bis man in den Horizontalflug übergehen muß, weil schließlich nur noch 80 km/h anliegen. Das geringe Fahrtgeräusch in allen Bereichen stellt der Oberflächenqualität und dem Flügelrumpfübergang ein gutes Zeugnis aus. Beim Anflug zur Landung ist die Sicht auch nach vorn ausgezeichnet, was bei Außenlandungen wichtig ist. Das Fahrwerk läßt sich leicht ausfahren und verriegeln, und die Symbol-Markierungen an allen Hebeln verhindern eventuelle Verwechslungen - auch der Fahrwerksstellung. Ich mußte mit stark böigem Seitenwind landen und flog deshalb bis zur Platzgrenze mit Wölbklappenstellung 0 und 110 km/h mit ausgefahrenen Bremsklappen, die sich bei dieser Geschwindigkeit noch regulieren lassen. Erst beim Passieren der Platzgrenze zog ich die Landestellung der WK. Der Vogel läßt sich in Zweipunktlage hinsetzen, und die Tostbremse wirkt gut, ohne daß die Maschine dazu neigt, auf die Schnauze zu gehen. Die Landeeigenschaften sind angenehm. Leider konnte ich keine Landung mit Bremsschirm anschließen, da ein Schleppilot nicht mehr zur Verfügung stand. Der ganze Schulbetrieb war schon morgens wegen des starken, böigen Seitenwindes eingestellt worden. Genauso schnell wie der Aufbau war die Demontage; schon nach fünf Minuten kann das Flugzeug wieder im Anhänger verstaut sein.

In Schlattstall schaute ich mir die Serienproduktion an, die, wie bei allen unseren Herstellern, auf vollen Touren läuft. Der Flügel besitzt einen Holm aus zwei Gurten mit parallelen Glasfasern und zwei GFK-armierten Balsastegen nach dem HH-Verfahren. Die GFK-Schale ist durch Hartschaum gestützt. Ein Hilfssteg trägt in Mittellagerung die Wölbklappen und Querruder. Während die Höhenflosse ebenfalls eine schaumgestützte Schale aufweist, ist die Seitenflosse ungestützt, besitzt jedoch außer dem Endsteg noch einen Diagonalsteg. Ebenso sind alle Klappen und Ruder rein GFK, ohne Stützstoff. Die GFK-Rumpfschale wird aus einem Ober- und Unterteil zusammengesetzt, ist ungestützt, jedoch sind im Bereich der starken Einschnürung vier Hohlprofil-Ringe eingeharzt, die gegen Beulen stützen. Das untere Rumpfvorderteil hat vor dem Führersitz doppelte Wandung. Der Rahmen für den vorderen, festen Teil der Kabinenhaube ist darauf aufgeschraubt und verspachtelt. Im Bereich der Beschläge für die Flügelrumpfverbindung befinden sich mehrere Stege, Kastenprofile und der Fahrwerkschacht, so daß hier ein fester Verband zur Aufnahme der Kräfte aus dem Flügel besteht. Die vorgefertigte Seitenflosse wird nachträglich mit dem Rumpf verbunden. Natürlich werden alle Teile in Formmulden hergestellt. Alle Ruder haben Teilgewichtsausgleich, und sämtliche Klappen und Ruder besitzen innenliegenden Antrieb, der durchweg mit Stoßstangen übertragen wird, die teils in Schwingen, teils in Rollenböcken gelagert sind. Lediglich von den Pedalen bis zu einem Lagerbock hinter dem Flügelanschluß laufen Seile; von dort führen Stoßstangen nach hinten. Die nunmehr nur noch auf der Flügeloberseite mit großer Spannweite vorhandenen Bremsklappen bestehen ebenfalls aus GFK und besitzen federnde Deckplatten. Daß in den sehr schlanken Rumpf noch eine komplette Sauerstoff-Anlage mit 4 l-Flasche und Fernsteuerung für die Dusche hineinpaßt, ist zwar selbstverständliche Forderung, aber schon Feinarbeit, denn es müssen auch noch der Batteriekasten und die dicken Schläuche mit dem großen Ablaßhahn zum Abwerfen des Wasserballasts untergebracht werden. Immerhin hat auch der Radkasten des einziehbaren Rades (5,00X5) noch Raumansprüche. Der im Flügel untergebrachte 2x25 Liter Wasserballast wird beim Ablassen in den Fahrwerkschacht geleitet, wobei der Ablaßhahn über die Schulter erreichbar ist. Das Federsystem der Höhentrimmung und die Knüppellagerung sind im unteren Teil des Instrumentenpilzes untergebracht und nach dessen Abnahme leicht zugänglich. Das Instrumentenbrett ist herausnehmbar, um Arbeiten an den Anschlüssen zu erleichtern. Die Taste für das an der rechten Bordwand montierte Schwanenhalsmikrofon befindet sich auf dem Knüppelgriff, und die Antenne für die Funkanlage ist serienmäßig in der Seitenflosse installiert.

Wie die technische Beschreibung zeigt, hat man sich bei Glasflügel außerordentliche Mühe gemacht, schon eine 17 m-Maschine mit all den technischen Finessen auszurüsten, die sonst nur Flugzeuge über 18 m Spannweite in dieser Komplettierung aufzuweisen haben. Dabei war es eine Selbstverständlichkeit, auch zellenseitig den modernsten Stand zu halten. Daß dieser "Turmfalke" schließlich leistungsmäßig hervorragend werden mußte, war beinahe zu erwarten, aber dazu treten noch seine angenehmen Flugeigenschaften und die Handlichkeit am Boden. Eine glückliche Synthese all dieser Anlagen gelingt nur selten, wenn auch der Kaufpreis noch einbezogen wird. Beim Kestrel ist es gelungen. Das zeigt nicht nur deutlich seine Verbreitung in vielen Ländern der Erde mit einer Produktionszahl von insgesamt über 50 nach relativ kurzer Zeit, sondern auch die Tatsache, daß er in der Hand guter Piloten zu einem der erfolgreichsten Wettbewerbsflugzeuge der letzten beiden Jahre wurde. 29 700,- DM (ohne MWSt.) sind ein Äquivalent für dieses Flugzeug. Ein dazu passender, moderner Anhänger mit Einschubsystem und Montageerleichterungen kann geliefert werden.

Kommt die WK-Automatik?

Gute Handhabung

Technische Daten und Leistungsangaben Schleicher ASW 20

Einsitziger, freitragender Mittel-Schulterdecker für Leistungssegelflug.

Flügel: zweiteiliger Doppeltrapezflügel, GFK-Schaumschale, Rovingholm mit Zunge-Gabelverbindung, integriertes Wölbklappen-Querrudersystem über ganze Spannweite mit 4 außenliegenden, verkleideten Antrieben. Schempp-Hirth-Bremsklappen auf Flügeloberseite.
Rumpf: reine GFK-Schale, Vorderteil Doppelschale, Schwerpunktkupplung, nach vorn klappbare Haube, Pedale, Rückenlehne und Nackenstütze verstellbar.
Leitwerk: gedämpftes T-Leitwerk mit eingebauter Antenne. Federtrimmung.
Fahrwerk: ungefedertes Einziehfahrwerk, mechanische Innenbackenbremse, Rad 5.00-5, aerodynamisch geformter, elastischer Schleifsporn.
Spannweite 15 m
Länge 6,82 m
Höhe 1,45 m
Flügelfläche 10,5m2
Streckung 21,43
Rüstgewicht 250 kg
max. Zuladung 115 kg
max. Fluggewicht ohne Ballast 375 kg
max. Ballast 120 kg
max. Fluggewicht mit Ballast 454 kg
Flächenbelastung ohne Ballast etwa 32 kg/m2
Flächenbelastung mit Ballast etwa 43 kg/m2
höchstzulässige Geschwindigkeit
bei ruhigem Wetter 270 km/h
bei starker Turbulenz 180km/h
bei Flugzeugschlepp 180 km/h
bei Windenstart 125 km/h
Mindestgeschwindigkeit 65 km/h
geringstes Sinken bei 73 km/h 0,6 m/s
beste Gleitzahl (15m) 43
beste Gleitzahl (16,5m) 45